Kritik an jüngsten Verkehrsplänen für Brandplatz in Gießen wird laut

In Gießen gehen die Diskussionen um die Verkehrsregelungen rund um den Brandplatz weiter. Bürgermeister Wright sieht keine Probleme.
Gießen - Die Zufahrtsänderung zum Brandplatz ist eine der größten verkehrlichen Veränderungen der vergangenen Jahre. Einige Anlieger sind darüber jedoch alles andere als erfreut. Sie kritisieren fehlende Teilhabe und sehen die neue Zufahrt als gefährlich an. Bürgermeister Alexander Wright widerspricht.
Matthias Bell war nicht gerade erfreut, als er vergangene Woche die Zeitung aufschlug. Unter der Überschrift »Große Veränderung für die Innenstadt« erklärte Bürgermeister Alexander Wright die Neuen Bäue zur Fahrradzone samt Zufahrtsperre des Brandplatzes von der Sonnenstraße aus. Demnach können der Platz und vor allem die dortigen Parkplätze ab Mitte Oktober nur noch von der Landgrafenstraße und der Braugasse aus erreicht werden. »Darüber sind wir alles andere als glücklich«, sagt Zahnarzt Bell, dessen Behandlungsräume in der Praxis am Alten Schloss anzutreffen sind. Mit »Wir« meint Bell andere Mediziner, Optiker und Immobilienmakler, mit denen er sich kurzgeschlossen hat und deren Kunden bzw. Patienten regelmäßig in einer der 70 Parkbuchten auf dem Brandplatz ihre Autos abstellen.
Neben dem Fakt an sich ist Bell aber auch über den Prozess verärgert. »Wir saßen noch vor der Oberbürgermeisterwahl mit Herrn Wright im Schlosskeller zusammen. Damals hat er uns gesagt, alle mit ins Boot holen und nichts über unsere Köpfe hinweg entscheiden zu wollen«, sagt Bell und fügt hinzu: »Jetzt haben wir es aus der Zeitung erfahren.«
Gießen: Brandplatz war Thema im Bürgermeisterwahlkampf - Diskussion um Verkehrsführung
Der Brandplatz war - genauso wie der Verkehrsversuch - großes Thema während der Oberbürgermeisterwahl im vergangenen Jahr. Alexander Wright von den Grünen, der heute als Bürgermeister das Verkehrsdezernat leitet, sprach sich für eine autoarme Innenstadt aus, seiner Vorstellung nach sollten die Parkplätze auf dem Brandplatz verschwinden. Im Koalitionsvertrag ist von Grünen, SPD und Linken festgehalten worden, dass der Brandplatz nicht über die Köpfe der Anwohner, Marktbeschicker und Gewerbetreibenden hinweg vom Parkplatz zum »Erlebnisraum« umgestaltet werden soll. Vielmehr soll eine Machbarkeitsstudie unter Einbeziehung von Schlossgasse und Marktlaubenstraße Aufschlüsse über eine Umnutzung liefern.
Zahnarzt Bell ist der Auffassung, dass die neue Zufahrtsregelung, die Mitte Oktober umgesetzt werden soll, bereits ein erster Schritt in Richtung autofreier Brandplatz ist. Dem widerspricht Wright jedoch. »Hier geht es ausschließlich darum, den Verkehr zum Brandplatz anders zu steuern, damit die Neuen Bäue vom Durchgangsverkehr und Parksuchverkehr entlastet wird und Fußgänger und Fußgängerinnen wie Radfahrende dort besser geschützt werden.« Daher habe er auch seine damalige Zusage aus dem Schlosskeller nicht gebrochen, betont der Bürgermeister. »Bei dem Gespräch ging es um die Umgestaltung des Brandplatzes. Der Brandplatz bleibt durch die Maßnahme an der Neuen Bäue und am Kanzleiberg in seiner Funktion als Parkplatz unangetastet.«
Brandplatz in Gießen: Neue Zufahrt durch Verkehrsversuch
Die 70 Parkbuchten des Brandplatzes sind künftig also nur noch über die Braugasse und die Landgrafenstraße zu erreichen. Bell und die anderen Mediziner beziehungsweise Gewerbetreibenden sehen darin aus mehreren Gründen ein Problem. Patienten beispielsweise aus dem Südviertel, die nicht mehr gut zu Fuß seien, müssten künftig deutlich längere Wege in Kauf nehmen und einmal den Anlagenring umfahren, um an ihr Ziel zu kommen, sagt Bell.
»Erst gestern haben mir zwei ältere Patientinnen, die seit Jahrzehnten zu uns kommen, ihre Sorgen kundgetan.« Abgesehen davon seien die Landgrafenstraße und die Braugasse für eine Zufahrt ungeeignet, meint der Zahnarzt. Gerade Letztere sei zu klein, wegen eines dort angesiedelten Betriebs würden Laster regelmäßig ein- und ausladen, zudem sei die Einsicht am Ende auf Höhe des Hawwerkastens sehr schlecht. »Das ist gerade für Fahrradfahrer sehr gefährlich.«
Gießen: Bürgermeister Wright sieht keine Probleme durch neue Regelung
Wright hingegen sieht keine Probleme durch die neue Regelung. »Die Zufahrt kann über die Braugasse erfolgen. Straßenquerschnitt und Flächenverfügbarkeit lassen dies ohne Weiteres zu.« Die Abfahrt sei problemlos über die Senckenbergstraße möglich. Zudem betont der Bürgermeister, dass Mitte des kommenden Jahres im Zuge des Verkehrsversuchs die Einbahnstraßenregelung in der Senckenbergstraße umgedreht werde und dann auch von dort eine Zufahrt möglich sei. Gleichzeitig werde die Braugasse dann in beiden Richtungen befahrbar sein.
In diesem Zusammenhang teilt Wright auch mit, dass die Zufahrt auf den Lindenplatz im nächsten Jahr ebenfalls nicht mehr möglich sein wird, da die Walltorstraße dann verkehrsberuhigt und zur Fahrradstraße werden soll. »Hier gibt es heute schon viele Konflikte für Fußgänger und Fußgängerinnen, die aus der Fußgängerzone bzw. vom Kirchenplatz kommen.« (Christoph Hoffmann)