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Krise durch kranke Pflegekräfte

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Von: Christine Steines

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Viele helfende Hände fehlen. In den Pflegeheimen sind Personalausfälle durch Corona und Erkältungskrankheiten ein großes Problem. © Red

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war von Anfang an umstritten. Sie gilt noch bis Ende 2022 und wird voraussichtlich nicht verlängert. Nach dem Infektionsschutzgesetz, das seit 1. Oktober gilt, sollten die Pflegeheime eigentlich ihre Mitarbeiter erneut überprüfen, darauf wurde jedoch verzichtet. Dort hat man aktuell ganz andere Sorgen: Die Personalausfälle sind dramatisch.

Die Herbstwelle rollt erwartungsgemäß zügig heran, die Corona-Infektionszahlen sind hoch. Auch in den Pflegeheimen kommt es wieder zu Ausbrüchen. Doch die Situation ist ganz anders als im Winter 2020/2021. Damals starben mehrere Dutzend Bewohner an den Folgen der Corona-Infektion. Heute sind fast alle Senioren mehrfach geimpft oder genesen. »Die Verläufe, die wir jetzt sehen, sind in der Regel mild«, sagen Jens Dapper (Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt) und Christa Hofmann-Bremer (Leiterin des Johannesstiftes). Die Erfahrung sowie die eingübte Praxis der Schutzmaßnahmen wie Testen und Maskenpflicht habe dafür gesorgt, dass man das Infektionsgeschehen gut im Griff habe, beschreibt auch Andreas Fölsing, Einrichtungsleiter des Caritas-Hauses Maria Frieden.

Große Sorgen bereiten jedoch in allen Pflegeheimen die hohen Personalausfälle. »Das ist eine schwierige und bedrohliche Situation, eine echte Krise«, sagt Dapper. Wenn Mitarbeitende in der Pflege an Corona erkrankten, sei damit zu rechnen, dass sie zwei Wochen ausfielen. Das sei angesichts der ohnehin angespannten Lage ein großes Problem. Die Dienstpläne müssten jeden Tag aufs Neue flexibel angepasst werden. Da auch kaum noch Personal aus Leiharbeitsfirmen zur Verfügung stehe, seien die Leidtragenden die Frauen und Männer des Stammpersonals. Dapper: »Das ist angesichts der schon lange anhaltenden Belastung kaum tragbar.« Das sieht auch Hofmann-Bremer so: »Unseren Pflegekräften wird sehr viel abverlangt.« Zum Glück gebe es im Johannesstift eine zuverlässige und extrem verantwortungsbewusste Mitarbeiterschaft. Dennoch sei die Grenze des Zumutbaren erreicht.

Die umstrittene einrichtungsbezogene Impfpflicht spielt in der Praxis keine große Rolle mehr. Sie war Mitte März eingeführt worden. Insgesamt sind beim Gesundheitsamt 950 Meldungen eingegangen, erklärt der Landkreis dazu. Das bedeute nicht automatisch, dass diese Mitarbeiter nicht geimpft seien, es zeige lediglich, dass kein Nachweis darüber vorgelegen habe. Kontrollen in den Heimen habe es ebenso wenig wie Betretungsverbote gegeben, beides war zu Beginn der Impfpflicht im Gespräch.

Im September hat das hessische Sozialministerium die Überprüfung und Anforderungen an den Immunitätsstatus per Erlass klargestellt: Für Bestandspersonal (Tätigkeitsbeginn vor dem 30. September 2022) sind zwei Immunisierungsnachweise ausreichend. Für Personal, das später begonnen hat oder zuvor keine zwei Immunisierungsereignisse nachweisen konnte, sind drei Immunisierungsereignisse notwendig.

Die Einrichtungen müssen die Immunitätsnachweise von Bestandspersonal nicht erneut prüfen, obwohl das neue Infektionsschutzgesetz, das seit dem 1. Oktober gilt, ursprünglich etwas anderes vorsah. »Zum Glück agieren die Behörden mit Weitsicht«, sagt Dapper. Dort wisse man sehr genau, wie problematisch die Versorgungssituation in den Pflegeheimen sei. Die Impfpflicht läuft zudem Ende des Jahres aus und wird aller Voraussicht nach nicht verlängert.

Die Altenpflegeheime müssten in Zukunft ebenso wie die »Welt außerhalb der Einrichtungen« zur Normalität zurückfinden, wagt Hofmann-Bremer einen Blick nach vorne. Dank der Impfungen, die lebensbedrohliche Verläufe verhinderten, könne dies gelingen. Fast alle Bewohner der Pflegeheime seien mehrfach geimpft. Die Abläufe des Testens seien etabliert und funktionieren reibungslos.

Mittelfristig will Hofmann-Bremer auch weg von der permanenten Maskenpflicht. »Für die alten Leute, die oft nicht mehr gut hören und sehen, ist die Situation schwierig«, sagt sie. Aber auch für die Pflegekräfte bedeute sie eine zusätzliche Belastung. »Duschen Sie mal jemanden und tragen dabei eine FFP2-Maske«, nennt sie ein Beispiel.

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