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Krimifestival Gießen: Organisator Uwe Lischper ist tot - Sein verschmitztes Lächeln wird fehlen

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Von: Marc Schäfer

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Uwe Lischper ist am Donnerstag im Alter von 70 Jahren verstorben. ARCHIV © Oliver Schepp

Uwe Lischper, der Mann hinter dem Krimifestival Gießen, ist tot. Eine seltene Erkrankung hatte ihn zuletzt schwer gezeichnet.

Gießen - Zwei Wochen vor dem Beginn des Gießener Krimifestivals, seines Festivals, ist Uwe Lischper am Donnerstag verstorben. Der Veranstalter erlag im Alter von 70 Jahren einer seltenen Erkrankung. Die Nachricht ist ein Schock. Für seine Familie, für seine Freunde, für die vielen langjährigen Weggefährten aus der Kulturbranche und sicherlich auch für Tausende Krimifans aus der Region, die Lischper 18 Jahre lang im Herbst mit seinem Krimifestival begeistert hat.

Es ist ein so vertrautes Bild. Er trägt ein Sakko, gedeckte Farbe, und einen Schal oder ein Tuch um den Hals. Das Mikrofon hält er starr vor dem Körper. Mit ruhiger Stimme, leise, moderiert er dann, am liebsten an der Seite, seinen Gast an und überlässt ihm schnell die Bühne.

Am Donnerstag hat Uwe Lischper die Bühne endgültig verlassen. Der Vater, der Macher, der Kopf des Gießener Krimifestivals, seines Festivals, ist gestorben. Eine seltene Erkrankung hatte ihn zuletzt schwer gezeichnet, er hatte Substanz und Kraft verloren, dennoch hat er das 19. Krimifestival-Programm in den letzten Wochen zusammengestellt und alle 30 Veranstaltungen bis ins Detail geplant. Dass die Erkrankung unheilbar war, das wusste er, dass sie aber so schnell dafür sorgen würde, dass er sein Krimifestival, welches er in seiner Heimatstadt zu einem kulturellen Leuchtturm gemacht hat, am 30. September nicht mehr eröffnen können würde, das kam überraschend.

Uwe Lischper ist tot: Sein Krimifestival Gießen ist ein Leuchtturm

Lischper hinterlässt Enkelkind Milou, Tochter Anna und seine Ehefrau Marlene, mit der er zuletzt noch Rubinhochzeit gefeiert hatte. Ihre Trauung wurde 1982 vollzogen, an seinem 30. Geburtstag, in der Mairie der Wettenberger Partnerstadt Sorgues bei Avignon. Sie war ein besonderes Kapitel der Geschichte der Deutsch-Französischen Gesellschaft Wettenberg, die daher in diesen Tagen auch Trauer trägt. Für Lischpers Familie, für seine Freunde, für die vielen langjährigen Weggefährten aus der Kulturbranche im ganzen Land und sicherlich auch für Tausende Krimifans aus der Region, die er 18 Jahre lang mit seinem Festival begeistert hat, ist sein Tod ein Schock.

Lischper kam 1952 in einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide auf die Welt. Der Umzug an die Lahn ließ nicht lang auf sich warten. Sein Vater war Soldat. Ende der 50er Jahre wurde er nach Gießen versetzt und hat die Familie mitgenommen. Schon als kleiner Junge hegte Lischper eine Leidenschaft fürs Lesen. Lange vor dem ersten Schultag, er war gerade mal vier Jahre alt, hatte er es sich dank der vielen Bücher seiner vier Geschwister selbst beigebracht. Am liebsten las er Sagen. Dass er eines Tages sein Geld mit dem Lesen verdienen sollte, war damals nicht absehbar.

Lischper ist viel herumgekommen. Nach dem Abitur schrieb er sich an der Universität für Wirtschaftswissenschaften ein. Doch das war nicht sein Fall. Er wechselte zu den Geisteswissenschaftlern, studierte Soziologie, Politik, Pädagogik und Psychosomatik. Zu seinem Studium gehörte auch ein längerer Auslandsaufenthalt. Lischper ging für 15 Monate nach Nigeria und arbeitete als Aufseher auf einer Baustelle. Auch Marokko bereiste er. Er schwärmte vom Schwarzen Kontinent. Die Ausweglosigkeit vieler Menschen dort und die Ausbeutung durch die Industrienationen beschäftigte ihn. Nach seiner Magisterarbeit wollte er eigentlich promovieren. Sein Geld verdiente er damals als Taxifahrer. Zu Beginn der Doktorarbeit kam Tochter Anna auf die Welt. Das Geld wurde knapp. Lischper absolvierte eine Zusatzausbildung zum PR-Berater und arbeitete in einer Agentur im Taunus. Ein Besuch des Marburger Krimifestivals inspirierte ihn später dazu, sein eigenes Literaturformat in Gießen zu starten. Das war 2004. Und der Beginn einer Erfolgsgeschichte.

Krimifestival Gießen: Uwe Lischper hat anderen den Vortritt gelassen

Lischper hat Lesungen in Waschstraßen veranstaltet, in Bestattungsunternehmen oder Ausnüchterungszellen. Er hat zahlreiche Fernsehstars und Starautoren nach Gießen geholt und den Gießenern gezeigt, dass Vorlesen ein Erlebnis für alle Sinne sein kann, wenn man so wie er liebevoll damit umgeht. Nächtelang hat er sich im Haus im Südviertel in sein Arbeitszimmer verzogen, die Lesungen geplant, die Texte bearbeitet und überlegt, welches Buch an welchem Ort, am besten wirken könne.

In all den Jahren sind für ihn aus einigen Vorlesern Freunde geworden. Viele seiner Gäste hat er am Bahnhof abgeholt und ihnen Gießen gezeigt. Er hat stets eine gute Visitenkarte abgegeben. Trotz seines Erfolges wollte er nie im Mittelpunkt stehen. Er war introvertiert, hat Gästen und Kunden den Vortritt gelassen. Er war verschwiegen, hat nie Allüren der Stars in der Öffentlichkeit ausgebreitet. Das gemeinsame Essen im kleinen Kreis nach einer Veranstaltung war ihm stets eine große Freude. Dort ließ er seinen feinen Humor durchblitzen, zeigte bisweilen seine Vorliebe für Satire. Sein verschmitztes Lächeln wird fehlen.

Lischper ist in Gießen natürlich mehr als der Organisator des Krimifestivals gewesen. Er hat die Reihe »Eine(r) liest« ins Leben gerufen. Daraus ist das Literarische Zentrum Gießen geworden, das er lange im Vorstand mitgeprägt hat. Die Gießener Bilderbuchtage waren ihm schon vor seiner Zeit als Opa ein wichtiges Anliegen. Dass er bei seiner Enkeltochter Milou schon im Alter von 13 Monaten eine Affinität zu Büchern entdeckte, machte ihn damals - 2018 - sichtlich stolz.

Krimifestival Gießen soll nach Tod von Uwe Lischper stattfinden

Als habe Lischper es geahnt, hat er sich im Vorwort des aktuellen Programmheftes bei Helfern und Weggefährten für die langjährige Unterstützung des Krimifestivals bedankt. Unter dem diesjährigen Motto »Die im Dunkeln sieht man nicht…« sei es jetzt an der Zeit, das Licht auf diese Menschen zu richten. Es ist jetzt, zwei Tage nach seinem Tod, nur schwer auszuhalten, dass Lischper nun zu den Menschen gehört, die man nicht mehr sehen wird. Nicht samstags mit seiner Familie und seinen Freunden an einem Tisch in einem Straßencafé in der Gießener Fußgängerzone. Nicht sonntags bei »Eine(r) liest« in den Marktlauben. Nicht auf einer der vielen Bühnen seines Krimifestivals. Lischper hat die Bühne des Lebens verlassen.

Das 19. Gießener Krimifestival wird stattfinden. Auch und gerade im Gedenken an dessen Erfinder und Schöpfer Uwe Lischper. Darauf weisen die Familie und seine Firma ulish-PR hin. Der Vorverkauf läuft weiter. Es gelten weiterhin die bisherigen Bedingungen, Bestimmungen, Daten und Orte. Soweit möglich, wurde bereits Kontakt aufgenommen zu Vorverkaufsstellen, Veranstaltern und einzelnen Künstlerinnen und Künstlern. Der Auftakt erfolgt am 30. September. Die insgesamt 30 Veranstaltungen laufen bis zum 31. Oktober. (mac)

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