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Kosten für Gießener Unternehmen explodieren

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Von: Christoph Hoffmann

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Die Preise für Gas sind extrem gestiegen. Das merken die Unternehmen – und geben die Preiserhöhung weiter.
Die Preise für Gas sind extrem gestiegen. Das merken die Unternehmen – und geben die Preiserhöhung weiter. © Red

Durch den Ukraine-Krieg und Corona wird nahezu alles teurer. Unternehmer aus Gießen legen die gestiegenen Preise auf ihre Kunden um.

Gießen – Die Preise für Energie explodieren. Das spüren die Gießener nicht nur beim Blick auf ihre Abrechnungen, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Zum Beispiel, wenn sie Brötchen kaufen, ein Bad sanieren oder ihr Einfamilienhaus neu eindecken wollen. Die Gießener Wirtschaft ächzt unter den Energiekosten.

Die Menschen sind es inzwischen gewohnt, immer neue Diagramme mit immer neuen Spitzenwerten zu sehen. Die Linien steigen und steigen, ein Ende scheint nicht in Sicht. Aktuell ist das zum Beispiel bei der Inflation so. Im April 2022 stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,4 Prozent. Das ist eine Verdopplung der Inflationsrate innerhalb weniger Monate. Und wenn man sich in der Gießener Wirtschaft umhört, scheint keine Besserung in Sicht.

Gießen: Preisexplosion durch Corona und Ukraine-Krieg

Stefan Schöffmann leitet zusammen mit seinen beiden Kindern die gleichnamige Dachdeckerei in Gießens größtem Stadtteil Wieseck. Anfangs habe Corona für Lieferengpässe bei etlichem Baumaterialien gesorgt, sagt der Dachdeckermeister, derzeit liege es vor allem an den hohen Gaspreisen. »Es ist zum Beispiel sehr schwierig, Ziegel zu bekommen.« Die tönernen Platten werden bei hohen Temperaturen in Öfen gebrannt, und die werden in der Regel mit Gas befeuert.

Während der Gaspreis zwischen 2013 und 2018 fiel und danach nur leicht anstieg, ist er seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine regelrecht explodiert. »Viele kleinere Ziegelbrennereien können sich das nicht mehr leisten. Sie lassen die Öfen aus«, sagt Schöffmann. Lediglich Unternehmen mit modernen und vor allem effizienten Öfen würden derzeit noch Ziegel produzieren. Die Herstellungskosten sind also gestiegen bei gleichzeitiger Verknappung des Angebots. Kein Wunder, dass die Sanierung eines Daches laut Dachdecker Schöffmann heute um rund 40 Prozent teurer ist als noch vor zwei Jahren.

Gießen: Gestiegene Preise machen sich für Kunden bemerkbar

Noch sieht sich die Mehrheit der deutschen Mittelständler in der Lage, auch längerfristig höhere Belastungen infolge steigender Energiekosten schultern zu können. Das ergibt eine aktuelle Umfrage der Förderbank KfW. Die Kunden müssen sich allerdings auf höhere Preise einstellen. Vier von zehn kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland haben demnach ihre Preise für Produkte und Dienstleistungen erhöht, um steigende Preise für Öl, Gas und Strom abzufedern. Etwa ein weiteres Drittel der Mittelständler plane Preiserhöhungen. Dabei reiche jedes fünfte Unternehmen die gestiegenen Energiekosten vollständig an die Kunden weiter, stellte die KfW fest. Im Durchschnitt lagen die Energiekosten bei den betroffenen Unternehmen im ersten Quartal laut Umfrage um durchschnittlich 41 Prozent über dem Niveau des Vorjahreszeitraums.

Die Bäckerbranche hat nicht nur mit den gestiegenen Energiepreisen zu kämpfen. Die Einführung des Mindestlohns sowie der hohe Getreidepreis - die Ukraine und Russland sind für 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte verantwortlich - sorgen für düstere Prognosen.

Gas zu teuer: Einige Öfen bleiben kalt

»Viele Bäcker, mit denen ich mich austausche, rechnen mit einem Rückgang des Gewinns um 50 Prozent für dieses Jahr«, sagt der Gießener Bäcker Bernd Braun, der auch Obermeister der heimischen Bäckerinnung ist. Gerade größeren Betrieben mit vielen Filialen würden wegen der täglichen Auslieferungen zudem die Spritpreise zu schaffen machen. »Und natürlich ist auch das teure Gas ein Problem, mit dem wir die Öfen befeuern«, sagt Braun. Er selbst, betont der Gießener, habe Glück und beziehe wegen eines langfristigen Vertrags Gas noch zu guten Konditionen. Nächstes Jahr laufe der Kontrakt jedoch aus. Manche Kollegen hingegen müssten schon jetzt wegen neuer Vertragsabschlüsse tief in die Tasche greifen. »Das alles führt am Ende dazu, dass die Brötchen teurer werden«, sagt der Bäckermeister.

Wie Dachdecker Schöffmann und Bäcker Braun beschäftigen auch Mario Simon die gestiegenen Energiepreise. Kein Wunder, schließlich gibt es in Gießen kaum eine Baustelle, vor der nicht ein Fahrzeug seines Unternehmens »Team Simon« zu finden ist. Zum Fliesenleger- und Generalunternehmer-Betrieb gehört ein Fuhrpark mit rund 50 Fahrzeugen. »Wir hatten im ersten Quartal dieses Jahr 40 000 Euro mehr Spritkosten als im ersten Quartal des vergangenen Jahres«, sagt Geschäftsführer Simon. Die explodierenden Energiekosten würden sich aber auch in vielen anderen Bereichen des Baugewerbes bemerkbar machen. Simon geht davon aus, dass nicht alle Mitbewerber diese Entwicklung überleben. »Besonders für die Kleinen dürfte es schwierig werden.«

Mit dieser Einschätzung steht Simon nicht alleine. Einige energieintensive Unternehmen und Logistikfirmen befürchten bereits eine Pleitewelle. Bleibt zu hoffen, dass bald nicht auch die Linien auf den Insolvenz-Diagrammen nach oben schießen.

Auch auf dem Gießener Immobilienmarkt sind die Preise gestiegen. Die Entwicklungen für unbebaute Grundstücke gehen „durch die Decke“.

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