Konzentration für das Leben
Kennen Sie das? Diesen Moment, vor dem man gewarnt wurde? Und jetzt, da er da ist, ist das Wort derer im Ohr, die es einem vorher schon gesagt haben?
Wie viele Warnungen oder Hinweise erhalten wir in unserem Leben, und halten uns dennoch nicht daran? Und dann, wenn es zu spät ist, erinnern wir uns an die Personen, die uns die Ratschläge gaben.
Petrus dürfte es so gegangen sein, als der Hahn dreimal krähte, da erinnerte er die Worte Jesu: »Ehe der Hahn kräht wirst du mich dreimal verleugnen.«
Kürzlich ging es mir so ähnlich. Bei der Ankündigung des neuen Buches von Johann Haris, mit dem Titel »Abgelenkt - Wie uns die Konzentration abhanden kam und wie wir sie zurückgewinnen«. In der Werbung zu diesem Buch war die Frage zu lesen, was wir uns denn wünschen, wenn wir auf dem Sterbebett liegen. Wie wir dann auf unser Leben zurückblicken würden. Würden wir denken: »Zum Glück habe ich ein schnelles Leben gelebt!«, »Habe ich ausreichend gearbeitet und zum Wirtschaftswachstum beigetragen?« oder »Habe ich ausreichend Social Media Accounts gepflegt? Hatte ich ausreichend Likes?«
Harris bringt es auf den Punkt mit den Worten: »Ich habe versucht zu leben, aber ich wurde abgelenkt.«
Ja, es sind rhetorische Fragen, die dort gestellt sind. Und mir begegneten einige Menschen, die ich als Seelsorger zum Teil kurz vor dem Sterben begleitet habe. Und nein, niemand von ihnen hat von irgendwelchen Ablenkungen gesprochen, derer er zu wenig hatte.
Der morgige Sonntag Lätare wird auch als das kleine Osterfest in der Passionszeit bezeichnet. In den Texten dieses Sonntags ist schon deutlich die Hoffnung auf das neue Leben angelegt, die Ostern zur Vollendung gelangt.
Was will ich vorher vielleicht zu Grabe tragen? Welche Ablenkungen sollen vielleicht aus meinem Leben verschwinden, um neue Konzentration für das Leben zu bekommen? Welcher Hahn muss mir krähen?
Christoph Schäufler
Evangelischer Klinikseelsorger
Gießen