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Konstruktiv zusammenleben

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Von: Roger Schmidt

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In den 14 Wohnungen leben 20 Erwachsene und ein Dutzend Kinder. © Roger Schmidt

Gießen (ige). Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen stehen für die Vision eines menschenwürdigen und nachhaltigen Lebens aller Menschen auf diesem Planeten. An sieben Tagen finden im Rahmen der Gießener Wandeltage dazu verschiedene Workshops, Führungen und Aktionen statt, die den nachhaltigen Wandel in Gießen zeigen sollen. Elisabeth Bergauer vom städtischen Klimaschutzmanagement und Janina Brendel von der Koordination kommunale Entwicklungspolitik wollten bei der Vorstellung einer Form des gemeinschaftlichen Wohnens in der Fröbelstraße das nachhaltige Ziel Wohlergehen erfahrbar machen.

Dieses Wohnen in der Gemeinschaft ist nichts für jeden - wo man zwar seinen abgeschlossenen Wohnbereich hat, jedoch eine Hausgemeinschaft gelebt werden soll, wo gemeinschaftliche Treffen angesagt sind, ab und zu zusammen gekocht wird. Es wird über das friedliche Zusammenleben geredet, Konflikte in Gesprächen bereinigt. Man kann sich an solchen Orten nicht permanent abschotten von Wohnungsnachbarn.

Wer all das nicht möchte, der ist bei »Domino« in der Fröbelstraße 80 bis 82 fehl am Platze. »Domino« steht für »Dorf mit neuer Orientierung« und versteht sich als eine Gemeinschaft, in der sich Menschen im Sinne einer Wahlfamilie zusammengefunden haben. Im Kern des Projektes steht keine bestimmte Ideologie; vielmehr geht der Ursprung auf konkrete freundschaftliche Beziehungen und den Wunsch zurück, mehr Alltag miteinander zu teilen.

Die Gemeinschaft lebt von der Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen und den Lebensentwürfen ihrer Mitglieder. Für den inneren Zusammenhalt einer Gemeinschaft wird eine grundlegende Übereinkunft und eine gemeinsame Ausrichtung gesehen. In der Überzeugung, dass für das Gelingen des Projektes - neben allen alltäglichen Aufgaben - die gewissenhafte Arbeit eines jeden an sich selbst und die Pflege des Miteinanders stehen müssen, steht dieser Zusammenhalt bei »Domino«.

Umweltpreis der Stadt erhalten

Aus diesem Grund werden in regelmäßigen Abständen gemeinschaftsfördernde Wochenenden miteinander verbracht, dabei in verbindlichem Rahmen eine Atmosphäre von Wertschätzung, Achtsamkeit und Respekt realisiert. Persönliche Unterstützung kann hier ebenso erfahren werden wie das konstruktive Aufarbeiten von Konflikten, die im Zusammenleben entstehen. Für ein erfüllendes Zusammenleben werden sowohl Herausforderungen als auch die unbedingte Fähigkeit und Absicht, ein schützendes Umfeld für den Einzelnen zu errichten, erachtet. Auch in turbulenten Zeiten soll Domino generationsübergreifend den Mitbewohnern ein Zuhause bieten.

Martin Bach, Brita Ratzel und Lothar Balling stellten das Projekt den Besuchern vor. 2010 von der Wohnbaugenossenschaft gekauft, leben in den 14 Wohnungen 20 Erwachsene und ein Dutzend Kinder. Gemeinschaftsräume gibt es im Dachgeschoss, auch eine Werkstatt. Einige Daten: 1500 Quadratmeter Wohnfläche auf einem dreifach so großen Areal. 1950 erbaut, bis 2005 US-Wohnsiedlung, Kosten von Kauf und Sanierung rund zwei Millionen Euro, 2011 Einzug, Finanzierung mit 35 Prozent Einlagen der Mitglieder, Rest Darlehen, Nutzungsentgelt (kalt) monatlich rund sechs Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, Nebenkosten ohne Fernwärme 1,70 Euro pro Quadratmeter, 2021 Installation einer Dach-Fotovoltaikanlage.

Warum die Rechtsform einer Genossenschaft? Hintergrund ist die Selbstverwaltung mit gemeinsamer Entscheidungsfindung im Konsens. Niemandem gehört seine Wohnung, das Haus gehört allen. Wer hier leben will, muss eine Mindesteinlage von 1000 Euro einbringen - bei gleichem Stimmrecht für alle Mitglieder. 2018 erhielt »Domino« den Umweltpreis der Stadt für biologische Vielfalt im urbanen Lebensraum.

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