Kongeniale Künstlerinnen

Gießen - Werke aus europäischen Metropolen der Jahrhundertwende hatte Violinistin Haruka Ouchi für das zweite Kammerkonzert im Theaterfoyer zusammengestellt. Die Vorspielerin im Philharmonischen Orchester bot mit Pianistin Yuko Masuda-Dreher ein Programm, das selbst anspruchsvolle Hörer zufriedengestellt haben dürfte.
Voller Reinheit im Ausdruck
Einen träumerischen Auftakt bildete die »Mélodie« aus Peter Tschaikowskis »Souvenir d’un lieu«, entstanden 1878 nach einem Aufenthalt in Brailov bei Nadeshda von Meck, der Mäzenin und Seelenfreundin des Komponisten. Voller Elan spielte das Duo die Steigerungen in diesem Lied ohne Worte; sanft der Ausklang.
Die Sonate Nr. 5 G-Dur für Violine solo des Belgiers Eugène Ysaye ist einerseits ohne das Vorbild Bach nicht zu denken, andererseits erinnert sie vom Stil an einen Schüler Ysayes, den Violinisten und Komponisten Mathieu Crickboom, dem sie gewidmet ist. Landschaftliche Assoziationen weckte der »Die Morgenröte« betitelte Kopfsatz mit dem ruhigen Beginn. Die farbige Harmonik schien Schattierungen am Himmel nachempfunden; Tremoli und Glissandi unterstrichen die Bildhaftigkeit.
Haruka Ouchi spielte so klangvoll und intensiv, als agierte ein Kammerensemble auf der Bühne. Beschwingt und prägnant rhythmisiert gelang ihr die folgende »Danse Rustique«. Die Violinistin bewies musikalisches Feingefühl, vereint mit lebhafter Fantasie, und machte die Komposition zum Vergnügen.
Teils unkoventionell sind die Satzbezeichnungen auch bei Maurice Ravels Violinsonate Nr. 2 G-Dur. Aus welch moderner Perspektive sich der französische Komponist dieser Gattung nähert, offenbarte besonders eindrücklich der Blues-Mittelsatz. Die Violin-Pizzicati sorgten hier für perkussiven Charakter, der Melodieteil entführte die Hörer dann gleichsam in einen US-Musikclub. Dabei verdeutlichte das Duo, wie originell das Populäre stilistisch veredelt ist. Schon der erste Satz, ein Allegretto, bestach durch Reinheit im Ausdruck - Ouchi und Masuda-Dreher gaben den impressionistischen Zügen vielschichtig Gestalt. Das »Perpetuum mobile«-Finale kennzeichnete mit scheinbar unaufhaltsamer Bewegung Rastlosigkeit und kam virtuos-leicht daher.
Nach der Pause hielt das auf Wettbewerben prämierte Duo das Niveau bei Richard Strauss’ Sonate Es-Dur (1887). So schienen die Dramatik und Leidenschaft im ersten Satz gut getroffen. Das Duo lenkte den Fokus auf Details in Artikulation, Klanggebung und Gestus. Dabei steckte die Interpretation voller Dynamik. Die Übereinstimmung der kongenialen Musikerinnen bis hin zu Nuancen begeisterte nicht minder beim »Andante cantabile«. Schwärmerisch mutete der Tonfall beim kernigen Finale an. Die Besucher entließen das Duo nicht ohne Zugabe. Sascha Jouini