Klimawandel verschärft Knappheit

Gießen (chh). Die Heizperiode hat früh begonnen, und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Heizen derart teuer geworden ist. Die hohen Kosten für Gas haben nicht nur die Nachfrage nach Kaminöfen in die Höhe schnellen lassen, sondern auch nach dem dafür benötigten Brennholz. Die Folge: Vielerorts ist kaum noch getrocknetes Holz zu bekommen, und wenn, dann teilweise zu sehr hohen Preisen.
Verschärfung der Lage befürchtet
Wer in diesen Tagen in und um Gießen Holz kaufen möchte, wird meist vertröstet. Auf den Internetseiten der Anbieter finden sich Hinweise, dass derzeit keine Bestellungen aufgegeben werden können. Oftmals wird dabei auf den Krieg in der Ukraine verwiesen. Die Lage sei »dramatisch«, berichten Anbieter gegenüber dieser Zeitung.
Auch die Gießener Lebenshilfe bietet seit Jahren einen Brennholzservice an. Im Ohlebergsweg arbeiten zwei Gruppenleiter, ein Produktionshelfer, eine Mitarbeiterin im Freiwilligen Sozialen Jahr sowie 14 bis 16 Menschen mit Behinderung. Auf dem Gelände wird Langholz zu Brennholz verarbeitet und getrocknet. Anschließend werden die 25 bzw. 33 Zentimeter langen Scheite zum Kunden geliefert.
Wer in diesen Tagen im Ohlebergsweg anruft, erreicht jedoch nur eine Ansage auf dem Anrufbeantworter: »Aufgrund der brisanten Situation auf dem Brennholzmarkt sind wir gezwungen, bis auf Weiteres keine Brennholzbestellungen mehr entgegenzunehmen zu können«, erfahren die Anrufer.
»Wir bedienen dieses Jahr nur einen Teil der Stammkunden. Noch ist eine lange Warteliste offen«, teilt Oliver Schmidt, der Produktionsleiter der Limeswerkstatt von der Lebenshilfe auf Anfrage mit. Neukunden würden aufgrund der Kapazitätsgrenzen komplett abgelehnt. »Wenn wir die Nachfrage hätten bedienen können, hätten wir dieses Jahr zirka 4000 Schüttraummeter verkaufen können«, betont Schmidt. Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich die Nachfrage bei der Lebenshilfe demnach verdoppelt.
Die hohe Nachfrage kommt für die Lebenshilfe zur Unzeit, wie Schmidt verdeutlicht. »Aktuell werden wir unser Jahresziel aufgrund von Holzmangel und coronabedingten Personalausfällen im ersten Halbjahr nicht erreichen. Wir mussten unsere Preise von 84 Euro pro Schüttraummeter auf aktuell 150 Euro anheben, um weiter kostendeckend arbeiten zu können.« Der Preis für das Festmeter Holz habe sich aufgrund der langen Lieferwege und des Einschlagstopps um knapp 100 Prozent erhöht.
Bei dem Einschlagstopp handelt es sich um ein sogenanntes Buchenmoratorium, das vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Oktober 2020 erlassen wurde und bis Ende 2023 läuft. Laut Michelle Sundermann von HessenForst gilt es für über 100 Jahre alte geschlossene Buchenbestände in bestimmten Gebieten. Betroffen sind rund 14 000 Hektar, in ganz Hessen gibt es zirka 895 000 Hektar Wald. »Die Gründe für das Moratorium liegen in der mit beängstigender Schnelligkeit voranschreitenden Klimakrise«, sagt Sundermann. Neben Fichten würden auch Buchen unter Trockenheit und Dürre leiden. »Weil wir aber noch nicht wissen, wie sich die Bewirtschaftung und Pflege insbesondere in den älteren Buchenbeständen unter den neuen klimatischen Bedingungen auswirkt, wurde diese Maßnahme zum Schutz der alten Buchenwälder ausgesprochen.«
Der Klimawandel verschärft die Knappheit also zusätzlich. Schmidt von der Lebenshilfe sieht in absehbarer Zeit keine Besserung auf die Kunden zukommen. »Wir rechnen eher noch mit einer Verschärfung der Situation und gehen von weiteren Preiserhöhungen in diesem Winter aus.«
Fichte soll Buche ersetzen
Um die Situation etwas abzufedern, startet die Lebenshilfe daher den Versuch, Kunden auch Fichtenholz anzubieten. »In den letzten Jahren wollte niemand Fichte als Brennholz in Betracht ziehen. Aufgrund der geänderten Weltmarktsituation sehen wir hier jedoch einen Markt«, sagt Produktionsleiter Schmidt. Der Verkauf von Fichtholz werde daher nun getestet.