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Klangpanoptikum zum Ende der Reihe

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Das Trio mit Evelyn Degen (Flöten), Carter Williams (Viola d’amore) und Organist Matthias Geuting. © Heiner Schultz

Gießen (kdw). Nicht nur ungewöhnliche, sondern auch ungewöhnlich attraktive Klänge präsentierte das PART-Ensemble aus Köln zum Abschluss der Reihe »FastenZeitRaum« in der Kulturkirche. Das Trio mit Evelyn Degen (Flöten), Carter Williams (Viola d’amore) und Organist Matthias Geuting ließ frischen Wind durchs Kirchenschiff wehen.

Evelin Degen und Matthias Geuting gehören zum E-Mex-Ensemble für Neue Musik in Köln und Essen, gemeinsam mit dem deutsch-amerikanischen Komponisten und Klangregisseur Carter Williams sollte eine audio-visuelle Koproduktion entstehen.

Ungewöhnlich war schon die Instrumentierung, die aufgrund kluger Verstärkung und Spielweisen allerdings sehr gut zum Tragen kam. Zunächst musizierte man aus Georg Philipp Telemanns Fantasia D-Dur von 1732 »Alla Francese - Presto«. Los ging’s mit der Flöte und einer heiter melodiösen Reihung von Tönen, mit weichem Duktus und zu Beginn gemächlichem Tempo. Fast zögernd wurde ein Spannungsbogen aufgebaut. Degen ruhte vorzüglich eingefühlt im Hall, es klang wie schwebend, und wurde mit einem gehauchten Finale abgeschlossen. Nun gesellte sich Carter auf der Viola d’amore dazu und fügte melodische Effekte und Glissandi hinzu. Von der Orgel kam dann plötzlich Tiefbassgegrummel, Kontrabassflöte und Viola agierten links und rechts vorn im Stereopanorama - der Sound erinnerte an fernes Motorengebrumm; weiche Ausblende.

Dann die erste Improvisation, »Fasten« von Friedrich Jaecker, eine »Nehrung für Flöte und Orgel« aus 2020. Die Bassflöte stand an der Orgel, aus den Lautsprechern kamen geflüsterte Stimmen, Flöte und Orgel wechselten sich in dissonanten Mittellagen ab, dazu wieder Tiefbass, der in der Kirche sehr eindrucksvoll funktionierte. Dann spielten sich Orgel und Flöte Töne zu. Geuting ließ ein knackiges Pedal- und Tastaturgeklapper hören, ein ungewohntes Geräusch.

Tastaturgeklapper und Sphärisches

In der zweiten Improvisation »Zeit« von Carter Williams, »Elliptic curves für Flöte und Orgel und Live-Elektronik«, erklangen ungewohnte Effekte, sich beständig beschleunigende Interaktionen, darunter sehr elegante kurvige Flächen, aber auch höllisch anmutende Klänge, ein Klangpanoptikum. Hier zeigte sich fast das ganze mögliche Spektrum von Musik und Musikern.

In der letzten Improvisation »Raum« durchschritten Flöte und Viola von vorn kommend außen das Kirchenschiff, wobei Degen zauberhafte »Whisper tones« produzierte, die seltsam sphärisch anmuteten. Was schon wie ein Abgang schien, rundete sich in der Rückkehr zur Bühne der beiden als konsequente musikalische Synthese. Die »Wanderer« hielten stets akustische Verbindung zueinander und zur Orgel, was den konstruktiven Charakter der Komposition verdeutlichte. Schließlich begann Organist Geuting, einen Choral zu singen und beschloss mit diesem heiteren ironischen Akzent und einem strahlenden Dur-Akkord das Konzert. Die Zuhörer waren hingerissen.

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