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Klangjuwelen im Gotteshaus

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Von: Dr. Olga Lappo-Danilewski

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Dmitry Egorov und Organistin Marina Sagorski freuen sich über den Schlussapplaus. © Dr. Olga Lappo-Danilewski

Gießen n(rw). Titel einer Arie von Henry Purcell (1659-1695) hatten sich Organistin Marina Sagorski und Sänger Dmitry Egorov für ihre Abendmusik zum Motto gewählt. Die beiden hochkarätigen Musiker und die exzellente Akustik des Gotteshauses am Wartweg lockten am Samstag ein für die auflagentechnisch beschränkten Platzverhältnisse zahlreiches Publikum in den ovalen Raum der Petruskirche.

Zu einem Programm, nicht gerade populistisch in Besetzung und Stücken, nämlich Countertenor und Orgel mit einer Musik aus eine Fixierung freier Improvisationenwahl quer durch das Europa des 15. bis 18. Jahrhunderts.

Zu seiner Zeit berühmt war Georg Muffat (1653-1704), dessen Toccaten, Ciaconen und Passacaglien für Organisten zum Standardrepertoire gehörten. Einleitend gab Petrus-Kantorin Marina Sagorski eine Probe ihres Könnens mit der zehnten der zwölf Toccaten des niederbayrischen Komponisten. Nach machtvoller Tutti-Einleitung folgte abwechslungsreiche Farbigkeit.

Mit Georg Friedrich Händels Arie »Cara sposa« aus »Rinaldo« gab Dmitry Egorov der einsamen Klage des Helden um den Verlust seiner Geliebten ergreifendes Format. Getragenes Tempo und feuriges Aufbegehren machte das Volumen und den facettenreichen Duktus seiner eher dem Alt als hellen Sopranfarben nahestehenden Stimmlage präsent. Auch in Händels Arie »Father of Heav’n« imponierte Atemtechnik und gelungene Zwiesprache mit dem Instrument.

Spanische Orgelmusik stellte Sagorski mit Francisco Correa de Arauxo (um 1575-1654) vor. Dessen Stück aus dem »Libro de tientos« (1626), der Orgelschule-Sammlung des andalusischen Organisten, vermittelt Kontrapunktik der Renaissance ebenso wie besondere Rhythmik und virtuose Melismen, denen die Musikerin glitzernde Anmut verlieh.

Mit Soli zweier weiterer Spanier, Pablo Bruna (1611-1679) und Sebastián Durón (1660-1716), lockerte Sagorski die Gesangsdarbietungen auf. Die »Tientos«, eine Art Fixierung freier Improvisationen auf einen Ton, hier mit lebhaften Registerwechseln und Intervallsprüngen, gaben Einblick in die Entwicklung spanischer Orgelkunst.

Aus dem reichen Schaffen des englischen Barockkomponisten Henry Purcell hatten Egorov und Sagorski die Arie »Music for a while« (1692) gewählt mit ihren charakteristischen hingetupften Einzeltönen. Die kraftvoll-herbe Schönheit der hohen Männerstimme kam in poetischem Gestaltungswillen und feinem Zusammenwirken mit der Orgel zur Geltung in zwei italienischen Werken. Giulio Caccinis (1545-1618) Madrigal »Amarilli, mia bella« übertrug Sehnsucht und Andacht; gelungen der Nachhall des langgezogenen Schlusstons. Giovanni Battista Pergolesis (1710-1736) Arietta »Se tu m’ami, se sospiri« kam kapriziös und tänzerisch-leichtfüßig daher.

Fehlen durfte nicht das berühmte Largo aus Händels Oper »Xerxes« mit dem Auftritt des Titelhelden, »Ombra mai fù«. Es war zum Dahinschmelzen, wie Egorov seine voluminöse Mittellage und strahlende Höhen mit lang gehaltener Tragkraft und nuancenreichem Ausdruck in den Raum strömen ließ. Ihre zurückhaltende Orgelbegleitung bereicherte Sagorski stilsicher mit leichtem Vibrato.

Die überzeugende Darbietung hätte jedem bedeutenden Kastraten der Barockzeit zur Ehre gereicht, und das Publikum applaudierte begeistert. Eine romantische Zugabe entließ die Musikfans.

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