Kinderschuhe vor Gießener Rathaus als Symbol für Kriegsgrauen

An einer Kundgebung der Ukrainischen Gemeinde und dem traditionelle Ostermarsch nahmen in Gießen gut 300 Personen teil. Vor dem Rathaus stehen Kinderschuhe.
Gießen (rsc/mac). So makellos blau wie just an diesem Nachmittag des Pfingstmontags wünsche er sich auch den Himmel über der Ukraine. Dies sagte Chris Genzel von der Jugend der ukrainischen Gemeinde Gießen bei der Kundgebung seiner Community auf dem Rathausplatz. Seine Bitte folgte sogleich: »Wir bitten um Waffen, um unseren Himmel frei von russischen Flugzeugen und Raketen zu bekommen.« Einer der fast 200 Teilnehmer reckte dabei sein Schild in die Höhe mit der Forderung: »NATO! Himmel schließen über Ukraine.« Eine Frau aus der ukrainischen Gemeinde, deren Eltern aus Russland stammen, fragte: »Wie lange müssen wir noch auf die zögerliche Antwort Deutschlands warten?«
Vor dem Rednerpodest, von dem ein halbes Dutzend Beiträge kamen, war symbolisch eine Vielzahl von Kinderschuhen und Spielzeug platziert. »Die sollen an die von russischen Soldaten getöteten ukrainischen Kindern erinnern«, so Genzel.
Kristina war mit einigen Kommilitonen aus Marburg angereist. Sie trugen russische Fahnen, auf denen die Farbe Rot - »Die steht für das in Historie und Gegenwart durch Russland vergossene Blut« - durch Weiß ersetzt war. »Diese Flagge ist in Russland verboten«, erläuterte Dimitri.
Bereits am Karsamstag war die Innenstadt Austragungsort einer Demonstration. Auf Einladung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des Gießener Friedensnetzwerks hatten sich gut 100 Personen zum Ostermarsch zusammengefunden, darunter auch etwa 15 Omas gegen Rechts. Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine waren zum Start des Ostermarsches am Katharinenplatz indes nur ganz vereinzelt zu finden. Zwei, drei Plakate mit den ukrainischen Farben waren auszumachen.
Die Gießener Stadtverordneten Martina Lennartz (DKP), die in ihrer Rolle als Verantwortliche des Friedensnetzwerks sprach, sagte in ihrer Rede, dass der Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine »nicht der erste Krieg in Europa seit 1945« sei. Dies werde in den Medien aber unterschlagen. »Wir stehen kurz vor dem Dritten Weltkrieg. Die einzige Chance, diesen zu verhindern: Ran an den Verhandlungstisch und Waffen nieder«, so Lennartz. Sie forderte: »Keine weiteren Waffenlieferungen nach Kiew!«
Lennartz erklärte, dass sie nicht mit dem »Angriffs Russlands auf die Ukraine gerechnet« habe. Es sei »schrecklich, dass der Krieg in der Ukraine offensichtlich nicht mit einer raschen Verhandlungslösung beendet werden soll«. Lennartz weiter: »USA, NATO, EU und Deutschland setzen alles daran, die Kampfhandlungen durch massive Aufrüstung Kiews zu verlängern.«
Neben Lennartz sprach unter anderem auch der DGB-Vorsitzende Klaus Zecher sowie Klima- und Verkehrswendeaktivist Jörg Bergstedt, dessen Forderung nach der Auflösung von Militärbündnissen, dem Abbau von Grenzen und Abrüstung mit dem Ziel 0, vor allem aber die Forderung der Auflösung von Polizei und Justiz bei Passanten und Teilnehmern der Demo für Kopfschütteln sorgte.
Zecher führte den Ostermarsch dann durch den Seltersweg zum Landgraf-Philipp-Platz, wo die Abschlusskundgebung stattfand.