Keine Strafe für Ankett-Aktion

Mit 3000 Kuscheltieren blockierten Tierrechtsaktivisten im April 2021 den Aulweg vor dem Lungenforschungszentrum. Ein Demonstrant saß wegen einer Strafanzeige im Auftrag des Uni-Präsidenten dafür nun auf der Anklagebank. Richter und Staatsanwalt waren sich jedoch schnell einig und stellten das Verfahren ein.
Tierrechtsaktivisten haben am Mittwoch ein Lehrstück in Sachen politischer Prozessführung präsentiert: Mit rund 20 Personen und Hunderten Kuscheltieren veranstalteten sie zunächst vor Beginn des Verfahrens gegen einen der Aktivisten eine Kundgebung am Amtsgericht. Dann füllten sie die Zuschauerplätze, und ein Laienverteidiger bombardierte das Gericht mit Anträgen. Anschließend nutzte der Angeklagte sein Rederecht, um in einem langen Vortrag Tierversuche zu kritisieren und dabei zahlreiche Beispiele zu schildern. Danach bekundete der Staatsanwalt: »Ihr Ziel kann ich ja nur teilen.« Das Gericht stellte schließlich das Verfahren wegen geringer Schuld ein. So schnell endete der Prozess, dessen Ausgangspunkt im April 2021 lag. Damals hatten Tierversuchsgegner mit 3000 Kuscheltieren mehrere Stunden lang den Aulweg auf Höhe des Lungenforschungszentrums blockiert. Dem Angeklagten wurde in einem Strafbefehl vorgeworfen, dass er sich an die Tür des Uni-Gebäudes gekettet hätte. Dagegen legte er Einspruch ein.
Vorwurf des Hausfriedensbruchs
Wie die Staatsanwaltschaft klarstellte: Hausfriedensbruch ist ein Antragsdelikt, und die Justus-Liebig-Universität hat den notwendigen Strafantrag gestellt, sonst wäre der Angeklagte deswegen gar nicht belangt worden. Aber auch so sah der Staatsanwalt von Anfang an den Tatvorwurf »strafrechtlich am untersten Rahmen«. Die Protestaktion im Aulweg sei schließlich friedlich verlaufen, und der Angeklagte sei vorher nie strafrechtlich in Erscheinung getreten. »Hätten Sie sich damals einfach nur hingesetzt und wegtragen lassen, wären wir heute auch gar nicht hier.« Doch das Anketten an eine fremde Tür sei strafbar, und da sich der Angeklagte weigerte, den Anweisungen der Polizei zu folgen und sich wieder abzuketten, sei dabei auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet worden.
Der Staatsanwalt stellte dem Angeklagten jedoch schnell die Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld in Aussicht, worauf sich der Tierrechtsaktivist nach kurzer Beratung mit seiner Verteidigung dann auch einließ. Dem schloss sich das Gericht an.
So wurde schließlich kein Zeuge vernommen und die vorgeworfene Tat nur kurz angerissen. Im Zentrum des Prozesses standen die ausführlichen Schilderungen des Angeklagten über Tierversuche in Deutschland. Da ging es zum Beispiel um Mäuse, denen Nikotin zugeführt werde und die dann bis zur totalen Erschöpfung laufen müssten. Oder um Katzen, denen man die Schädeldecke öffne und Elektroden anbringe, um die Auswirkungen von Lichtreizen zu messen. Der Erkenntnisgewinn aus solchen Experimenten sei in vielen Fällen gar nicht auf den Menschen übertragbar, kritisiert der Angeklagte. Der fasste seine Auffassung schließlich zusammen: »Tierversuche sind absurd und grausam.«
In einer Unterbrechung des Prozesses nach diesen Schilderungen brach eine rege Diskussion zwischen Staatsanwaltschaft und den Aktivisten auf der Zuschauerbank über das richtige Mittel des Protests aus. Einerseits sagte der Staatsanwalt: »Ich fand die Demo, wie sie abgelaufen ist, toll.« Mit Aktionen wie dem Anketten oder auch dem medial sehr präsentem Ankleben verspiele man jedoch Sympathien. »Dann kippt die Stimmung in der Bevölkerung.«
Die Tierrechtsaktivisten entgegneten darauf, dass ihr Protest ohne solche Aktionen wie das Anketten nicht wahrgenommen werde.