Kein Sommer ohne Hitzewellen

Der nächste Sommer kommt bestimmt - und mit ihm wahrscheinlich wochenlange Trockenheit und heiße Tage. Wie sich Wetter und Klima auch in Gießen in den letzten 60 Jahren verändert haben, zeigt ein aktuelles Konzept zur »Klimawandelanpassung«. Gegensteuern will die Stadt unter anderem mit einer Satzung für »Freiraum und Klima«.
Wer in diesen adventlichen Tagen auf dem Gießener Weihnachtsmarkt einen Glühwein schlürft, wird kaum einen Gedanken daran verschwenden, dass ihm oder ihr vor einigen Monaten noch der Kopf geglüht hat. Auch im vergangenen Sommer wackelte bei einigen Hitzeschüben der aus dem Sommer 2019 stammende Gießener Rekord von 38,2 Grad. Dass Temperaturen über 30 oder sogar 35 Grad in unseren Breiten keine Ausnahme sind, sondern zunehmend zur Regel werden, zeigt jetzt das soeben vom Klimaschutzmanagement der Stadt veröffentlichte »Klimawandelanpassungskonzept«. Im langjährigen Mittel ist die Lufttemperatur in Gießen um knapp ein Grad gestiegen, wobei der Sprung von neun auf knapp zehn Grad im Jahr 2020 in den Jahren seit 1990 erfolgte. Mit durchschnittlich elf Grad war 2018 das Jahr mit der größten Abweichung nach oben.
Bis zu 30 Zentimeter Regenflut
Zehn oder elf Grad sind weit weg von Sommertemperaturen, aber es sind eben die Zunahmen an heißen Tagen, Hitzewellen, einhergehend mit Dürren, die die jährliche Durchschnittstemperatur ansteigen lassen. So gab es heiße Tage (Definitionen siehe Infokasten) vor 1991 durchschnittlich sechs pro Sommer, seitdem sind es knapp elf. Das entspreche einer Zunahme um über 80 Prozent, heißt es dem 33-seitigen Konzept, das vergangene Woche von Evelina Stober, Mitarbeiterin beim Klimaschutzmanagement der Stadt, dem parlamentarischen Ausschuss für Klimaschutz vorgestellt wurde.
Der Trend zeigt sich auch beim Thema »Hitzewellen«. Gab es früher maximal eine im Sommer, kam es in den letzten Jahrzehnten zu zwei bis drei pro Saison. Zudem gab es seit zehn Jahren keinen Sommer mehr ohne eine oder mehrere Hitzewellen. Passend zur jetzigen Jahreszeit die Information, dass es im langjährigen Mittel eine leichte Abnahme von Tagen mit Frost um 0,6 Prozent gegeben hat.
Mithin zeigt sich laut dem Konzept auch für Gießen in Sachen Klimawandel eine »immer deutlichere Realität«, die den Anpassungsdruck auch »auf kommunaler Ebene« erhöhe, um sich für Extremwetter wie Hitze und Extremereignisse wie Starkregen zu wappnen. Bei letztgenanntem Szenario sind laut dem Konzept für die stärker versiegelten Bereiche von Gießen Wasserstände von »über 30 Zentimetern« nicht auszuschließen.
Wie schnell so etwas auch in Gießen gehen kann, zeigte sich Ende Mai 2018, als der Gießener Osten bei einem Gewittersturm regelrecht geflutet wurde. Die in dem Konzept veröffentlichte Zahl macht nochmals die Wucht des Regens, der unter anderem die Vitos-Klinik an der Licher Straße unter Wasser setzte, deutlich. 63 Liter fielen damals binnen drei Stunden auf den Quadratmeter. Die höchste Warnstufe des Deutschen Wetterdiensts für Starkregen wird bei über 40 Liter pro Stunde oder über 60 Liter in sechs Stunden erreicht.
Damit solche Ereignisse künftig weniger Schaden anrichten können, hat die Stadt vier Handlungsfelder definiert, als da wären »Hitze und Trockenheit«, »Starkregen«, »Hochwasser« und »übergreifende Themen«. Das Konzept listet 52 bereits umgesetzte oder in Umsetzung befindliche Maßnahmen sowie 13 geplante Maßnahmen auf.
Im Zentrum einiger Themen stehen die Mittelhessischen Wasserbetriebe (MWB), deren Anlagen zur Stadtentwässerung »stetig« weiterentwickelt und angepasst werden müssten, unter anderem durch die Schaffung von Stauraumkanälen und Regenrückhaltebecken. Fließpfad- und Starkregengefahrenkarten beugen digital vor, im Umsetzung befindet sich ein »Kristenstab Hochwasser- und Starkregen. Er soll im Unwetterfall »effektive Alarm- und Meldeketten« sicherstellen. Bei den MWB wird zudem ein EEM (Extrem-Ereignis-Management) installiert, auch der Ausbau der Warnsysteme wird erwähnt.
Noch richtig in Gang kommen muss das »Förderprogramm Grüne Mitte Gießen«. Es soll bei privaten Bauherren den Anreiz für Entsiegelungen und Begrünungen schaffen. Bislang gibt es laut Konzept 32 Anträge, abgeschlossen wurde im Jahr 2021 bislang aber erst eine Maßnahme.
Regelwerk gegen Schottergärten
Mehr Stadtgrün und eine bessere Entwässerung verspricht sich die Stadt von der Umgestaltung von Plätzen wie dem Brandplatz, dem Platz vor dem früheren Finanzamt in der Goethestraße, dem vor der Kongresshalle sowie des Schulhofes der Wirtschaftsschule am Oswaldsgarten.
Angekündigt wird ferner eine »Gestaltungssatzung Freiraum und Klima«, die bei der Gestaltung von Freiflächen zur Anwendung kommen soll. Ein Ziel: den Trend zum Schottergarten stoppen.