1. Gießener Allgemeine
  2. Gießen

Kriminalität in Gießen: Vom Shanghai an der Lahn zur Musterstadt

Erstellt:

Von: Kays Al-Khanak

Kommentare

oli_ppmittelhessen_16082_4c_2
Das Polizeipräsidium Mittelhessen hat seinen Sitz in der Gießener Ferniestraße. © Oliver Schepp

Auf die Polizei in Gießen kommen immer wieder neue Herausforderungen zu. Deshalb muss sie mit der Zeit gehen.

Gießen – Jeder kennt die Polizisten, die mit dem Streifenwagen in der Stadt unterwegs sind. Und wer Krimis mag, der hat auch schon mal von der Ermittlungsarbeit der Mordkommission gehört. Aber in Polizeipräsidien wie dem in Gießen gibt es viele weitere Experten, die Ganoven aller Art auf der Spur sind. In einer Serie stellen wir einige vor.

Gießen hatte mal den Ruf, das Shanghai an der Lahn zu sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg soll es entlang der Bahnhofstraße die höchste Prostitutionsrate in Europa gegeben haben, Schlägereien an der Tagesordnung und die Kriminalität sehr hoch gewesen sein. Auch wenn das Empfinden von manchen Menschen etwas anderes sagt: Von solchen Zeiten ist Gießen heute weit entfernt.

Laut Statistik des Polizeipräsidiums (PP) Mittelhessen lag bei der Kriminalitätsbelastung die Häufigkeitszahl, die die Zahl an Straftaten pro 100.000 Einwohnern innerhalb eines Jahres im gesamten Zuständigkeitsgebiet angibt, im Jahr 2021 bei 4042. Das liegt unter dem Landesdurchschnitt von 5340. Die Aufklärungsquote beträgt 66,6 Prozent. Das ist der höchste gemessene Wert seit Einführung des PP im Jahr 2001.

Polizei in Gießen: Viele Herausforderungen für die Ermittler

Und doch ist dieses Präsidium in den vergangenen Jahren mit vielen Herausforderungen konfrontiert worden. Beispielhaft seien die Klärung des Mordfalls Johanna Bohnacker 2017, der ungeklärte Mord am Gießener Hells-Angels-Boss Aygün Mucuk 2016, die Proteste im Dannenröder Forst der A49-Gegner oder die Demos von Gegnern der Corona-Maßnahmen genannt.

Zuständig sind die Ermittler für die Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf, Wetterau und Lahn-Dill. Das ist eine Fläche von 4300 Quadratkilometern, auf der eine Million Menschen leben. Gießen ist wegen seiner Lage ein Verkehrsknoten und Ziel vieler Pendler aus der Region.

Es gibt hier die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes für Geflüchtete, viele Menschen fahren zum Einkaufen in die Stadt, es gibt eine große Firmendichte sowie Schulen und Hochschulen. Da die Redewendung »Gelegenheit macht Diebe« gar nicht so falsch ist, gibt es für die Polizei auch genug zu tun.

Polizeipräsidium Mittelhessen: 2145 Mitarbeiter bei der Gießener Polizei

Zum PP Mittelhessen gehören vier Polizeidirektionen, die für die Landkreise zuständig sind, die Direktion Verkehrssicherheit/Sonderdienste mit der Polizeiautobahnstation, die vier regionalen Verkehrsdienste und die Wachpolizei sowie die Kriminaldirektion mit der zentralen Kriminalinspektion, die Kriminaldirektion Staatsschutz und die regionalen Kriminalinspektionen. Zur Polizeidirektion Gießen gehören die Polizeistationen Gießen-Nord, Gießen-Süd und Grünberg sowie die Ermittlungsgruppe Gießen.

Anfang August haben 2145 Mitarbeiter ihren Dienst beim Polizeipräsidium Mittelhessen versehen – davon sind 751 Frauen. Etwa 800 der Mitarbeiter sind im Wechselschichtdienst beschäftigt – darunter die Dienstgruppen der Polizeistationen, die Gruppen der Kriminaldauerdienste und der Wachpolizei. In den Kommissariaten sind rund 400 Mitarbeiter tätig.

In den regionalen Kriminalinspektionen (RKI) der Direktionen Lahn-Dill, Wetterau und Marburg-Biedenkopf gibt es jeweils sechs Kommissariate; bei der RKI, die für den Landkreises Gießen zuständig ist, sind es sieben. Der zentralen Kriminalinspektion (ZKI) sind acht Kommissariate zugehörig; darüber hinaus gibt es den Staatsschutz, der bei religiös oder politisch motivierten Straftaten ermittelt.

Polizeipräsident Bernd Paul: Polizei-Beamte sind Bürger in Uniform

Bei der ZKI angesiedelt ist beispielsweise das ZK20; dessen Ermittler kümmern sich um Wirtschafts- und Umweltdelikte. Beim ZK30 geht es um Ermittlungen innerhalb des Organisierten Verbrechens bei Bandenkriminalität, Geldwäsche und Rockern. Bei der für Gießen zuständigen RKI kümmert sich das K11 um Gewalt-, Brand- und Waffendelikte, das K12 um Sexualverbrechen. Das K23 ist Fälschern und die Männer und Frauen des K34 Drogendealern auf der Spur.

Die Polizeiarbeit ist im Wandel begriffen. Das ist eine Binsenweisheit, aber falsch deshalb noch lange nicht. Die Verbrechensbekämpfung wird internationaler, digitaler, die Ausrüstung der Beamten aufwendiger. Gleichzeitig stehen die Polizisten bei ihren Einsätzen immer mehr auch im öffentlichen Fokus; beispielhaft sei hier die Aufnahme eines Gießener Polizisten genannt, der einen Mann mit dem Satz »Geh in dein Schweineland zurück« beleidigt hatte.

Mittelhessens Polizeipräsident Bernd Paul hingegen betont immer wieder das Bild vom Polizisten als Bürger in Uniform. Dieses Bild wird auch dominant sein, wenn das Polizeipräsidium am 11. September von 11 bis 18 Uhr zum Tag der offenen Tür einlädt. Es zeigt aber auch: Die Polizei muss und will sich und ihre Arbeit öffentlich mehr erklären – nicht nur, um Nachwuchs zu gewinnen. (Kays Al-Khanak)

Auch interessant

Kommentare