Kaum Chance auf rechtzeitige Einigung

Gießen (chh). 2300 zusätzliche Vollzeitstellen, die zu Mehrkosten von über 150 Millionen Euro pro Jahr führen: Das würde es das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) eigenen Berechnungen zufolge kosten, die Forderungen der durch die Gewerkschaft Verdi unterstützten nicht ärztlichen Mitarbeiter zu erfüllen. Das hat die UKGM-Geschäftsführung der Belegschaft am Donnerstag nach der dritten Verhandlungsrunde über einen Tarifvertrag Entlastung in einem Rundbrief mitgeteilt.
Die Klinikleitung bezeichnet das Ergebnis der Berechnung als »schockierend« und betont: »Das kann keine Basis für einen Entlastungstarifvertrag sein.« Gleichwohl soll weiter nach tragbaren Lösungen gesucht werden.
UKGM: Zeit viel zu knapp
Mitte Dezember hatten die Beschäftigen ihre Forderungen an den Klinikbetreiber Rhön übergeben. 4163 Menschen haben das Papier unterschrieben, das auch ein Ultimatum von 100 Tagen beinhaltet: Sollte der Arbeitgeber bis zum 24. März nicht einlenken, wollen die Mitarbeiter in den Streik gehen. Wie die Forderungen im Detail für die einzelnen Abteilungen aussehen, wurde dem Arbeitgeber jedoch erst 17 Tage vor Ablauf des Ultimatums präsentiert. Laut Verdi-Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm ausreichend Zeit, in den Augen des UKGM viel zu knapp.
»Wir brauchen Zeit für ernsthafte Verhandlungen und keine Verschärfung der Lage durch Streiks und Demonstrationen«, ist in dem Rundbrief zu lesen. Ein 100-Tage-Ultimatum, das erst am 9. März mit konkreten Forderungen verbunden worden sei, könne nicht eingehalten werden.
Vor allem die selbst errechneten 2300 zusätzlichen Stellen seien weder personell noch wirtschaftlich umsetzbar. »Nicht nur, dass das UKGM damit nicht mehr fortführbar wäre, es gibt diese zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch gar nicht auf dem Arbeitsmarkt.« Das UKGM stellt daher klar: »Die Geschäftsführung der UKGM GmbH darf und wird keine Vereinbarungen treffen, die die Zahlungsfähigkeit des UKGM und damit die wirtschaftliche Stabilität unseres Universitätsklinikums gefährden würden.«
Damit scheint eine Einigung bis zum 24. März unerreichbar zu sein. Denn auf Nachfrage dieser Zeitung betont Dzewas-Rehm, dass am Ende des Ultimatums ein abgeschlossener Tarifvertrag stehen müsse und nicht nur eingeleitete Verhandlungen. »Dafür ist genügend Zeit. Es ist kein Hexenwerk«, betont Dzewas-Rehm und fügt an, dass an vielen anderen Unikliniken solch ein Tarifvertrag bereits umgesetzt worden sei.
Ob tatsächlich 2300 zusätzliche Stellen, wie von der UKGM-Leitung verlautbart, für die Umsetzung der Forderungen notwendig sind, zweifelt der Verdi-Vertreter an. »Das letzte Mal hat der Arbeitgeber noch von 300 bis 400 Stellen gesprochen. Ich bin gespannt, mit welcher Zahl er am 23. März um die Ecke kommt.« In diesem Zuge nennt Dzewas-Rehm erneut als Beispiel die Berliner Charité, die im ersten Jahr nach der Einführung eines Tarifvertrags Entlastung mehr als 500 Pflegekräfte neu eingestellt habe. »Es gibt keinen Mangel an Fachkräften, sondern einen Mangel an Fachkräften, die unter den aktuellen Bedingungen im Krankenhaus arbeiten wollen.«
Der Rundbrief des UKGM beinhaltet jedoch mehr als Kritik am Umfang potenzieller neuer Stellen sowie am zur Verfügung stehenden Zeitfenster. So versichern die Unterzeichner, zu denen unter anderem der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Gunther K. Weiß, sowie der Ärztliche Direktor, Prof. Dr. Werner Seeger, gehören, die Verhandlungen weiterführen und auch zu einer Entlastung kommen zu wollen.
»Wir sind ausdrücklich bereit, gemeinsam nach guten Kompromissen zu suchen, und sind zuversichtlich, dass wir diese auch finden werden.« Als Möglichkeiten, die Arbeitsbelastung zu senken, nennen die Verantwortlichen etwa eine verbesserte Arbeitsorganisation und Abstimmung zwischen beiden Standorten.
Verdi: Andere Kliniken schaffen es
Zudem solle die Digitalisierung und Automatisierung in allen Bereichen »massiv« vorangetrieben werden. Auch neue Arbeitszeitmodelle könnten eingeführt werden, um Belastungssituationen abzubauen. Abgesehen davon sollen die Anstrengungen vervielfacht werden, um derzeit freie Stellen zu besetzen und junge Menschen für Ausbildungen zu gewinnen.
Am kommenden Donnerstag steht die nächste Verhandlungsrunde an. Dann wird die Klinikleitung erfahren, was die von Verdi unterstützten Mitarbeiter von diesen Maßnahmen halten.