Kahlschlag in der Gießener Wieseckaue sorgt für Kritik

Die Fällung von fast 40 großen Pappeln am Martha-Mendel-Weg in der Wieseckaue stößt auf Kritik. Die Stadt Gießen zeigt Verständnis - und stellt gleichzeitig klar: Sicherheit geht vor.
Gießen - Wer aus der Rödgener Seewiesenstraße in Gießen hinab in die Wieseckaue geht oder radelt, dem bietet sich nun freie Sicht auf Gleiberg und Brauhausturm. Im Landschaftsbild klafft plötzlich eine breite Lücke. Von der langen Reihe mit den gewaltigen Pappeln, die den beliebten Rad/Gehweg zwischen dem Segelflugplatz und dem Abzweig nach Rödgen säumte, sind nur noch Stümpfe übrig.
Einige Radfahrer, die sich am frühen Dienstagabend (15.02.2022) auf dem Martha-Mendel-Weg an den Sperren vorbei über das »Schlachtfeld« Richtung Trohe kämpften, reagierten mit Unverständnis auf den »Kahlschlag«. Einer Buseckerin, die die Strecke täglich mit dem Rad fährt, standen angesichts der Baumstümpfe die Tränen in den Augen: »Diese großen Bäume waren etwas ganz Besonderes.«
Baumfällung an der Wieseckaue in Gießen: „Auf Dauer keine Alternative“
Bei der Stadt Gießen, die die Fällarbeiten vor einigen Tagen in einer Pressemeldung angekündigt hatte und auf die Verkehrssicherheitspflicht verwies, zeigt man Verständnis für die Reaktionen. »Der Eingriff in das Landschaftsbild ist sicher stark. Aber zu der Fällung gab es auf Dauer keine Alternative«, erklärt Stadtsprecherin Claudia Boje.
Die Fachleute im Gießener Gartenamt hätten sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. »Tatsächlich fanden in den vergangenen Jahren aufwendige Baumpflegearbeiten zum Erhalt der Verkehrssicherheit statt. Sie waren allerdings nicht von dauerhaftem Erfolg gekrönt«, sagt Boje. Da der Radweg R7 sehr stark frequentiert sei, bestehe dort eine besondere Pflicht, für Sicherheit zu sorgen. Deshalb sei auch regelmäßig kontrolliert worden. Letztendlich hätten die letztjährige Baumkontrolle und diverse Grünastbrüche im Sommer sowie ein verstärkter Vitalitätsverlust dazu geführt, dass die Fällung unumgänglich wurde.
Gießen: Nur Bäume direkt am Radweg gefällt
Gefällt wurden laut Boje 37 Bäume im Alter von 72 Jahren. Die Bäume hätten ausnahmslos sehr starke Vitalitätsverluste angezeigt. Diese Anzeichen seien nicht am Wurzelstock oder den gefällten Stämmen zu erkennen. Ein Baum setze seine Krone sukzessive von außen nach innen zurück, um die Statik zu erhalten. Einen solchen Prozess könne man mit Baumpflege unterstützen, jedoch müsse man abwägen, bei welcher Baumart das Sinn mache. Boje: »Pappeln eignen sich hierfür nicht.« Gefällt worden seien nur Bäume, die direkt am Radweg stehen. Die restlichen Pappeln blieben für das Landschaftsbild erhalten.
Ein Rödgener, der die Arbeiten beobachtete, erzählte, ihm sei vor einigen Jahren fast ein riesiger Ast auf den Kopf gefallen. »Direkt vor mir kam er runter. Das sieht hier nicht schön aus, es war aber höchste Zeit, dass etwas passiert.« (mö)