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Jobcafé in Gießen: Kaffee, Suppe und Selbstvertrauen

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Von: Sebastian Schmidt

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Im Jobcafé in der Liebigstraße herrscht eine lockere und positive Stimmung, erzählt Projektkoordinatorin Katja Peikowski (links). Es geht schließlich auch darum, das Selbstvertrauen der Besucher zu steigern. Das sind oft Langzeitarbeitslose, die hier über eine Maßnahme des Jobcenters herkommen. © Oliver Schepp

Auch wenn es keine öffentliche Gastronomie ist, so ist das Jobcafé in der Liebigstraße 72 in Gießen trotzdem eine »Institution« sagt IBS-Geschäftsführerin Susanne Knickel.

Gießen - Vorne wird Deutsch gelernt, dahinter gestrickt und um die Ecke am Mittagessen geschnippelt: Kartoffelsuppe gibt es heute. »Und wem das nicht schmeckt, der isst eben nichts«, sagt einer der beiden Köche und lacht. So ist das im Jobcafé in der Liebigstraße 72: Menschen aus aller Welt kommen hier zusammen, kümmern sich um den Betrieb des Cafés - und um sich selbst. Viele der Besucher der Einrichtung seien dabei schon sehr lange arbeitslos, haben keine Tagesstruktur und kein Selbstvertrauen mehr, sagt die Geschäftsführerin des Instituts für Berufs- und Sozialpädagogik (IBS) Susanne Knickel. Ein lockerer Umgang miteinander ist deswegen hier ein Muss.

Das ibs betreibe das Jobcafé, mit einer kleinen Unterbrechung, bereits seit 2012 im Auftrag des Jobcenters - bis zu 60 Menschen können gleichzeitig die Maßnahme in der Liebigstraße besuchen. »Und die Warteliste ist voll«, sagt die Projektkoordinatorin Katja Peikowski.

Jobcafé in Gießen: »Wir versuchen hier Stärken zu stärken«

Das Angebot des Jobcafés an die Menschen sei mit Absicht sehr niederschwellig. Knickel sagt: »Wir versuchen hier Stärken zu stärken.« Die Besucher bekommen in dem Café deswegen nichts vorgegeben, sondern werden gefragt, was sie gerne machen oder erreichen möchten. Und so finden sich dann immer welche, die sich um das Mittagessen kümmern, oder welche, die die Einkäufe für das Café machen. Aufgaben übernehmen, Verantwortung schultern, etwas »geschafft bekommen« - das sei hier wichtig.

Dabei gibt es für die Menschen auch Möglichkeiten, sich außerhalb des Cafés auszuprobieren, etwa im Garten oder der Werkstatt des ibs in der Wilhelmstraße. Wer zum Beispiel einmal Gabelstapler fahren möchte - »Logistik ist doch gerade am Boomen« - der könne das dort machen, sagt Knickel. Einer geregelten Arbeit nachzugehen, sei für viele der Menschen im Jobcafé aber oft schwierig - wegen der Sprache oder der Lebenssituation oder beidem. »Aber wir vermitteln auch erfolgreich«, sagt Peikowski.

In der großen Sitzgruppe im Eingangsbereich hört man derweil Ute Brüß-Schaum mit einer betonten Aussprache zehn interessierten Zuhörern Silvester erklären: »Man stößt mit Sekt an und wünscht sich ›Alles Gute‹!« Vor der Sprachlehrerin sitzen heute Menschen aus Syrien, Afghanistan, Palästina und dem Irak. Gemeinsam haben sie, dass es ihnen schwer fällt, Deutsch zu lernen. »Die Grammatik ist ein Problem«, sagt eine von ihnen. »Bei mir ist alles ein Problem«, sagt ein anderer etwas resigniert.

Gießen: Nie Lesen und Schreiben gelernt

Brüß-Schaum lässt das aber nicht durchgehen und weist den Mann auf seine bisherigen Fortschritte hin, bevor sie erklärt: »Er hat in Afghanistan nie eine Schule besucht, weder Schreiben noch Lesen gelernt. Und jetzt schreibt und liest er hier etwas.« Das Selbstbewusstsein stärken, das spielt auch im Sprachkurs eine große Rolle.

Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Maßnahme kommt das Konzept schließlich gut an. Paul Koch - der heute tatsächlich einer der beiden Kartoffelsuppen-Köche ist - sagt: »Die lockere Stimmung macht das Ganze hier einfach aus.« Dass der Kurs jedoch zeitlich begrenzt sei, sei für manche da ein Wermutstropfen.

Sechs Monate sei die Standardförderung, um sechs weitere Monate könne in der Regel noch einmal verlängert werden, sagt Peikowski. Die Anwesenheitszeiten sind dabei zweimal die Woche, jeweils vier Stunden. Manche kämen aber auch öfter vorbei, sagt Knickel. Das Café können dabei jedoch nur Teilnehmer der Jobcenter-Maßnahme besuchen, denn es ist keine der Öffentlichkeit zugängliche Gastronomie - bis auf wenige Ausnahmen im Jahr. Zum Weihnachtsbasar hatte das Jobcafé zuletzt seine Türen weit geöffnet. Peikowski sagt: »Und da kommt dann auch die Nachbarschaft.« (Sebastian Schmidt)

Sie ist 19 und schon Profi. Profi für die Belange von jungen Menschen, die in der Jugendhilfe leben, und denen sie Stimme und Gehör auf politischer Ebene verschafft. Mariana aus Gießen engagiert sich im Landesheimrat. Und ist dafür kürzlich vom Land Hessen geehrt worden: Als »Mensch des Respekts«.

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