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Jüdisches Leben sichtbarer machen

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Von: Kays Al-Khanak

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Am runden Tisch gegen Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens sollen zahlreiche gesellschaftliche Akteure beteiligt werden. © Oliver Schepp

Bundesweit steigt die Zahl der antisemitischen Straftaten weiter an. Und die Judenfeindlichkeit findet sich nicht nur ganz rechts, sondern zum Teil auch in der Mitte der Gesellschaft. Ein zu gründender runder Tisch soll nicht nur helfen, dieser Entwicklung entgegenzutreten, sondern auch jüdisches Leben in der Stadt sichtbar zu machen.

Antisemitische Narrative sind weit verbreitet - schändlicherweise noch immer. Und sie werden es weiterhin, wenn ein Schuldiger für eine Situation gesucht wird, die komplexer ist, als das manche Menschen mit ihren Schwarz-Weiß-Schemata einsehen wollen oder können. Zu sehen war dies zum Teil bei den Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Auch bei der Documenta in Kassel sorgte ein Banner eines Künstlerkollektivs mit antisemitischer Symbolik für scharfe Kritik. Um zu solchen Ereignissen Stellung zu beziehen, Engagement gegen Antisemitismus zu stärken und jüdisches Leben in Gießen sichtbarer zu machen, soll ein runder Tisch gegründet werden. Die Mitglieder des Ausschusses für Schule, Bildung, Demokratieförderung, Kultur und Sport sprachen sich jetzt einstimmig für dessen Schaffung aus.

Antisemitismus auch in der Mitte

Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, der dem runden Tisch vorsitzen soll, betonte die Notwendigkeit eines solchen Gremiums in der heutigen Zeit: Es gebe eine steigende Zahl von antisemitischen Straftaten. Im Konzept heißt es außerdem, Judenfeindlichkeit finde sich nicht nur in rechtsextremem Gedankengut, sondern auch in linksextremen und in islamistischen Milieus sowie in der Mitte der Gesellschaft. »Wir müssen wachsam sein«, sagte Becher.

Der runde Tisch geht auf eine Resolution zurück, die das Stadtparlament Ende Mai 2021 beschlossen hatte: »Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern - Kein Platz für antisemitische Hetze und Gewalt«. Darin wurde der Magistrat gebeten, zu einem runden Tisch zur Bekämpfung von Antisemitismus einzuladen. Nun steht das Konzept. Dass es ein Jahr gebraucht hat, bis dieses vorliegt, ist kein Grund zur Kritik - im Gegenteil. Gerhard Merz (SPD) sagte in der Ausschusssitzung, es sei gut, dass sich die Verantwortlichen Zeit gelassen hätten, um für den runden Tisch Struktur, Akteure und Inhalte zu finden.

Unterschiedliche Arbeitsbereiche

Mit dem runden Tisch, heißt es in dem Konzept, soll bestehendes Engagement politisch unterstützt, weitere Handlungsbedarfe erkannt und systematisch sowie koordiniert weiterentwickelt werden. Das Gremium soll keine Eintagsfliege sein: »Mit dem runden Tisch macht die Stadt deutlich, dass sie es als dauernde Aufgabe versteht, sich mit den Ursachen und Folgen von Antisemitismus zu beschäftigen.« Das schließe auch ein, sich mit allen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu beschäftigen. Außerdem, betonte Becher, soll der runde Tisch dabei helfen, jüdisches Leben in der Stadt in all seiner Vielfalt sichtbarer zu machen.

Der runde Tisch soll in der Regel zwei- bis dreimal im Jahr tagen. Mitglieder sind neben OB Becher unter anderem zwei Mitglieder der jüdischen Gemeinde, zwei Vertreter weiterer Religionsgemeinschaften, Waltraud Burger als Leiterin der Volkshochschule, Vertreter des städtischen Büros für Integration, der Ordnungs- und der Landespolizei, der Gießener Schulen, der Jugendförderung, der Lokalzeitungen sowie der Lagergemeinschaft Auschwitz oder der Arbeitsstelle Holocaustliteratur.

Die über 20 Mitglieder sollen dann in unterschiedlichen Arbeitsfeldern aktiv werden: Verstetigt werden sollen die Cluster »Schulische und außerschulische Jugendbildung«, »Erwachsenenbildung« und »Erinnerungskultur/Gedenkstätten«. Weitere Arbeitsfelder können dann projektbezogen ins Leben gerufen werden. Becher betonte: Der runde Tisch sei nicht parteipolitisch besetzt, sondern bringe die unterschiedlichen Perspektiven von Gruppen und Institutionen zusammen.

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