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St. Josefs muss früheren Chefarzt abfinden

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Von: Guido Tamme

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Die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung dauerte ein Jahr, nun haben sich das St. Josefs Krankenhaus und der rechtswidrig gekündigte Chefarzt Dr. Matthias Oehmke auf eine Abfindung geeinigt.

»Das St. Josefs Krankenhaus Balserische Stiftung gGmbH und Herr Dr. Dr. Matthias Oehmke haben die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart und die Zusammenarbeit einvernehmlich beendet.« Mit diesem lapidaren Satz in einer Pressemitteilung des »Seppl« endete nun ein Drama, das vor einem Jahr begonnen und für viel Gesprächsstoff in dem Krankenhaus und Aufsehen in der Gießener Öffentlichkeit geführt hatte. Die Geschäftsführung hatte dem Anästhesie-Chefarzt wegen angeblich wiederholten Fehlverhaltens im Dienst fristlos gekündigt.

"Gefährdung des Patientenwohls"

Der über einen GAZ-Bericht im April 2017 in Gießen bekanntgewordene Hinauswurf war zunächst damit begründet worden, dass der Anästhesie-Chef den geplanten Aufbau einer Intensivabteilung nicht mittragen wolle. Später stellte sich heraus, dass interne Äußerungen des mitunter impulsiven Mediziners zu zwei verspäteten Abmahnungen geführt hatten. Das Fass aus Sicht der Geschäftsleitung zum Überlaufen gebracht hatten im März zwei Reaktionen Oehmkes auf Beschwerden von Patienten über lange Wartezeiten bei der OP-Vorberatung: Er hatte ihnen empfohlen, besser in ein anderes Krankenhaus zu gehen. Dies wurde ihm als »Gefährdung des Patientenwohls« angelastet.

Mit der fristlosen Kündigung scheiterte das christlich geführte Krankenhaus aber vor dem hiesigen Arbeitsgericht bereits aus formalen Gründen. Richter Tim Schömig befand im Oktober 2017 die Mitarbeitervertretung sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Statt sich auf die Kündigungsgründe zu konzentrieren, war ihr ein Sammelsurium von vermeintlichen Verfehlungen des Chefarztes präsentiert worden.

Höhe der Abfindung nicht bekannt

Gegen dieses Urteil legte das Krankenhaus damals zwar sogleich Berufung ein und schob sicherheitshalber noch einmal eine Kündigung zum Jahresende 2017 nach. Doch zugleich begannen hinter den Kulissen die Verhandlungen zwischen den Arbeitsrecht-Fachanwälten Bernhard Steinkühler (Berlin) und Michael Tuna (Gießen) über die Umwandlung in eine ordentliche Kündigung und eine Abfindungszahlung. Diese Verhandlungen haben jetzt zu einem erfolgreichen Ende geführt. Über die Höhe der Abfindung gibt es keine Informationen: Beide Seiten haben Stillschweigen über das Ende der Auseinandersetzung vereinbart.

Zurück bleiben letztlich nur Verlierer. Auf der einen Seite ist es das Krankenhaus, das das relativ hohe Chefarzt-Gehalt nachzahlen muss, ohne dass dem eine Leistung gegenüber steht. Zudem stand die vor allem auf Betreiben von Geschäftsführer Andreas Leipert ausgesprochene Zwangsbeurlaubung von Anfang an auf rechtlich schwachen Füßen. Und für Dr. Mathias Oehmke, der aus einer angesehenen Gießener Arztfamilie stammt und über eine fachlich einwandfreie Reputation verfügt, wurde die berufliche Karriere empfindlich gestört. Erst jetzt kann der 55-Jährige auf die ihm angebotenen Stellen in anderen Krankenhäusern reagieren.

Die Chefarzt-Position an der Liebigstraße teilen sich seit knapp einem Jahr die Anästhesistinnen Dr. Britta Wagner und Dr. Cordula Thörmer. (Foto: Schepp)

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