Jeder hat das Recht, verarscht zu werden
Florian Schroeder gehört zur Speerspitze des politischen Kabaretts. In Zeiten von Trump und AfD sieht er die Welt im »Ausnahmezustand«. Und entsprechend lautet auch der Titel seines neuen Programms. Im Interview erzählt er, was das mit Knallchargen, Nahtoderfahrungen und Helene Fischer zu tun hat.
Befindet sich die Welt tatsächlich im Ausnahmezustand, oder ist das, was gerade passiert, nicht nur das ganz normale Leben und wir müssen da durch?
Florian Schroeder: Das Lebensgefühl ist im Moment das eines globalen Ausnahmezustands. Das fängt im Kleinen mit einer ungeheuren Radikalisierung und der Wiederbewaffnung im Diskurs an. Man will recht haben, sich selbst als den Guten darstellen und die Gegenseite ins Reich des Bösen verweisen. Es wird wieder sehr hart um Deutungshoheiten gekämpft. Und dann haben wir auf der großen Bühne Akteure wie Donald Trump oder die chinesische Führung. Ich glaube, man will die Menschen mit der inflationären Verwendung des Begriffs Ausnahmezustand in eine Art Angst- und Duldungsstarre versetzen.
Wer macht Ihnen mehr Angst: Trump, Putin oder Kim Jong Un?
Schroeder: Ich will da keine Hierarchie bilden. Aber ich fürchte, die gefährlichste Entwicklung findet tatsächlich in den USA statt. Es ist in einem demokratischen Staat ein neuer Vorgang, dass ein Mann herrscht, der alle demokratischen Strukturen und Mechanismen zutiefst verachtet und außer Kraft setzen will. Das finde ich gefährlich, weil die USA eine andere demokratische Tradition hat. In Russland war die Tendenz zum Autoritativen schon immer stärker.
Wir brauchen doch gar nicht so weit gucken. In Deutschland gibt es auch Vertreter, die in diese Kategorie fallen: Stichwort: AfD
Schroeder: Absolut. Wie gefährlich die sind, sieht man in diesen Tagen. Sie versuchen, die Berichterstattung darüber zu verhindern, dass sie ein Prüffall des Verfassungsschutzes sind, und sind damit durchgekommen. Entlarvend war ihre Begründung: Das bedeute eine Einschränkung ihrer Möglichkeit, neue Wähler zu gewinnen. Damit haben sie gesagt, was sie denken: dass die Berichterstattung der freien Presse für sie ein Hindernis ist. Somit wissen wir alle, was passiert, wenn die an der Macht wären.
Sind Frauen die besseren Menschen?
Schroeder: Nein, das wäre undifferenziert. Die Männerbastion Rassismus wird nach und nach auch von Frauen eingenommen: Frauke Petry, Beatrice von Storch, Alice Weidel, Marine Le Pen. Und wer ist vom NSU-Trio übrig geblieben, nachdem sich die Typen weggeballert haben? Frau Zschäpe.
Facebook und das Internet helfen den Bösen, ihre Parolen zu verbreiten. Als Kabarettist nutzen Sie diese Kanäle aber auch.
Schroeder: Für mich ist der entscheidende Punkt, dass ein Medium an sich nie gut oder böse ist. Ich bin – in einer Anti-Robert-Habeck-Haltung – angetreten, mit einer Ausweitung meiner Kanäle und meiner Teilnahme in den sozialen Netzwerken zu versuchen, sie mit meiner Stimme ein klein wenig zum Besseren zu wenden. Ich versuche, von Reflex auf Reflektion umzustellen – und das in 280 Zeichen. Das erfordert akrobatisches Talent in der Formulierung. Auch mir gelingt es nicht immer, mir zwei, drei Gedanken zu machen, bevor ich etwas raushaue. Aber ich versuche bei Twitter Ideen zu formulieren, Assoziationen freien Lauf zu lassen und – auch wenn ich mal Fehler mache – immer transparent zu bleiben. Der Austausch ist dabei Spaß, aber auch Pflicht, mich nicht immer in die Hohe-Priester-Position und Sicherheit der Bühne zurückzuziehen. Und im Zweifelsfall gibt es die Möglichkeit, Personen zu sperren und man hat seine Ruhe.
Sie nehmen bevorzugt Politiker von CDU und FDP aufs Korn. SPD und Grüne kommen besser weg.
Schroeder: Ich versuche, in alle Richtungen auszuteilen. Aber das hängt immer von der Materiallage ab. Und im vergangenen Jahr haben CDU und CSU durch die Merkel-Seehofer-Angelegenheit unfassbar geliefert. Wenn von der SPD nach deren Nahtoderfahrung nun mehr kommt, setze ich mich auch wieder mehr mit ihr auseinander. In »Ausnahmezustand« erzähle ich in einer Passage von meinem Leben am Prenzlauer Berg. Und da sind die Leute durch und durch grün. Auf dieses Lebensgefühl haue ich drauf. Das ist damit tiefer und härter, weil es sich nicht an den Launen einer Partei abarbeitet.
Sie haben mit Peer Steinbrück ein Buch geschrieben, gehen mit ihm im Sommer auf Tour. Haben Sie sich als Kabarettist damit nicht mit dem Feind ins Bett gelegt?
Schroeder: Das sehe ich genau umgekehrt. Unter dem Motto ›Raus aus der eigenen Echokammer und Komfortzone‹. Steinbrück war ja eigentlich schon immer Kabarettist, hat sich nur als Parteipolitiker getarnt. Bei ihm zählt am Ende immer die Pointe, auch wenn er das nie so sagen würde. Und man kann mit ihm sehr gut auf Ballhöhe diskutieren. Meist redet der Komiker auf der Bühne über den Politiker. Aber mich reizt es, mit jemandem, der auf der anderene Seite steht, in den verbalen Fight zu gehen.
Sie gehen auch in Bereiche wo es wehtut. Da passt der Tour-Auftakt in Dresden.
Schroeder: Das Dresdener Publikum hat überhaupt nichts zu tun mit dem, was man sonst von dieser Stadt mitbekommt. Das ist gut für einen schnellen Witz über Sachsen und Dresden. Aber das, was man in den letzten Jahren von den Straßen in Dresden und Sachsen zu sehen bekam, hat nichts mit dort zu tun. Die haben eine ungeheure Selbstironie. Ich bin ein großer Fan der Sachsen.
Sie machen sich auch lustig über Helene Fischer. Waren sie jemals auf einem ihrer Konzerte? Das muss für Sie doch wie ein Paralleluniversum sein?
Schroeder: Ich würde es mir vielleicht mal angucken, weil mich diese Massenbegeisterung interessiert. Aber auf Dauer würde ich die Musik nicht ertragen. Lustig wird es für mich als Komiker, wenn man sich die Texte anguckt, auf die ja sonst keiner hört.
Parodien sind Ihr Markenzeichen. Zeigen die Politiker von heute dafür nicht zu wenig klare Kante?
Schroeder: Nö. Das mag den Anschein haben. Es liegt aber auch an der Veränderung der Zeit. Früher gab es im Kalten Krieg den Kampf der Systeme. Das hat andere Gestalten hervorgebracht. Mit Trump ploppen solche Figuren verändert, aber verwandt wieder auf. In der Zwischenzeit gibt es die Christian-Lindnerisierung. Die reizt mich sehr. Ich finde es viel spannender, solche Typen wie Lindner oder Habeck zu haben, die auf den ersten Blick wenig Fleisch auf den Knochen haben, als solche Knallchargen wie Oettinger oder Stoiber, bei denen man eigentlich nur zwei Silben parodieren muss und schon lacht der Saal. Das ist zwar wirkmächtig, aber auch eine einfache Fingerübung.
Wie weit dürfen Sie dabei gehen – gerade im Nachgang zur Böhmermann-Erdogan-Auseinandersetzung?
Schroeder: Die Grenzen der Satire verlaufen an der Grenze des Grundgesetzes. Alles andere ist erlaubt. Und im Zweifel entscheiden das die Gerichte. Aber natürlich gibt es auch Stiltabus, die jeder für sich selbst definieren muss. Für mich gilt: Nicht nach unten treten und keine Witze auf Kosten von Leuten, die es nicht verdient haben. Ansonsten hat aber jeder das Recht, verarscht zu werden. Es gilt aber das deutsche Phänomen: Man zeigt sich im Namen einer Gruppe sehr empört, und die Gruppe selbst ist sehr entspannt.
Ihr Publikum gehört zur Gruppe Ü40. Hat das politische Kabarett eine Zukunft? Und erreichen Sie auch Jüngere?
Schroeder: Mittlerweile ja. Es verjüngt sich zusehends. Ich finde es aber auch toll, dass sich Leute mit deutlich mehr Lebenserfahrung als ich anhören, was ich zu sagen habe. Im Sinne der Zukunftssicherung ist es gut, wenn die eigene Kohorte den Weg findet und man auch für die eine Stimme sein kann. Je älter ich werde, umso jünger wird mein Publikum. Das liegt sicher auch daran, dass ich aus dem öffentlich-rechtlichem Fernsehen komme. Da liegt der Durchschnittszuschauer eben bei 62 Jahren.
Ärgert es Sie nicht, dass Satire im Fernsehen immer so spät ausgestrahlt wird?
Schroeder: Mittlerweile nicht mehr. Es gibt Mediatheken, YouTube und im nonlinearen Bereich so viele Wege wahrgenommen zu werden, dass der lineare Ausspielweg nur noch einer unter ganz vielen ist.