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Barrierefreiheit in Gießen lässt zu wünschen übrig

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Von: Christine Steines

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Einsatz in der Fröbelstraße: Die Kita-Kinder messen den Behindertenparkplatz. Fazit: Er ist etwas zu schmal.
Kita-Kinder messen einen Behindertenparkplatz in Gießen. © Oliver Schepp

Gießen am Tag der Gleichstellung: Zur Thematik Inklusion wollen der Arbeitskreis für Behinderte und die Lebenshilfe Gießen auf die weiter fehlende Barrierefreiheit aufmerksam machen.

Gießen – Mit verschiedenen Aktionen wollen die Verantwortlichen auf die Missstände aufmerksam machen, dazu besuchen sie unter anderem einen Kindergarten und kooperieren mit Sportvereinen. So sollen die Menschen am Tag der Gleichstellung für die Thematik sensibilisiert werden.

Gießen: Inklusion soll Kindern nähergebracht werden

Samuel Groß steht vor dem Miller Haus. Die Stufen zu dem Restaurant kann er mit seinem Rollstuhl nicht überwinden. Er könnte klingeln, dann würde ihm ein Seiteneingang geöffnet, und mit ein bisschen Glück wäre dieser Eingang passierbar und nicht von Getränkekisten verstellt. Inklusion sieht anders aus. Teilhabe bedeutet, dass jedem Menschen der Zugang möglich ist. Ohne darum bitten zu müssen, ohne »Extrawurst«. »Das ist aber sehr oft nicht der Fall«, erklärt der Behindertenbeauftragte den Kindern der AWO-Kita Lotte Lemke.

NameTag der Gleichstellung
Einführung5. Mai 1992
BedeutungAufmerksamkeit für Inklusion und Barrierfreiheit
VerbreitungEuropa, Deutschland
FeiertagNein

Groß erkundet an diesem Vormittag gemeinsam mit Kornelia Steller-Nass (Arbeitskreis für Behinderte) das Stadtviertel rund um Spenerweg, Trieb und Fröbelstraße. Sie schauen sich gemeinsam an, mit welchen Hürden es Menschen zu tun haben, die mit Einschränkungen leben, weil sie nicht oder nicht gut laufen können, weil sie nicht gut sehen oder hören können.

Die Kinder messen gemeinsam mit ihren Betreuern Rilana Pinkert, Sabrina Luciano und Francesco Arman die Größe von Behindertenparkplätzen aus, sie schauen sich Gehwegabsenkungen und weiße Bodenleitsysteme für Blinde an. Und immer wieder stellen sie fest: Samuel Groß kann die Strecke mit seinem Rollstuhl nicht gut befahren. Manchmal muss er auf der Fahrbahn bleiben (was gefährlich ist) oder er braucht die Unterstützung seines Assistenten oder eines Passanten. »Das ist gar nicht gut«, erkennt ein Mädchen und ein Junge ergänzt: »Da haben es die Vögel besser, die können einfach fliegen«. Und weil Menschen keine Flügel haben, tun sich jede Menge Probleme auf. Samuel Groß formuliert es so: »Es wird einem sehr viel Flexibilität abverlangt.«

Lebenshilfe Gießen und Basketballer wollen zu Inklusion aufklären

Damit das nicht so bleibt, gibt es den europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. In diesem Jahr ist das Motto »Tempo machen für Inklusion - barrierefrei zum Ziel«. Überall dort, wo es Mängel zu beklagen gibt, hinterlassen die Kinder einen Aufkleber mit der Aufschrift »Achtung Barriere« und signalisieren: Daumen nach unten!

Zu den Mahnern, die immer wieder auf Missstände hinweisen, gehört neben dem Arbeitskreis für Behinderte Gießen auch die Lebenshilfe Gießen. Diese hatte am Nachmittag gemeinsam mit den Rollstuhlbasketball-Profis des RSV Lahn-Dill und dem Basketballbundesligisten Gießen 46ers zu einer Aktion in die Innenstadt eingeladen. Passanten hatten die Gelegenheit, gegen Spieler der 46ers anzutreten - und zwar in Sport-Rollstühlen des RSV.

Inklusion und Barrierefreiheit sollen in Gießen weiter vorrangetrieben werden

Auch Lebenhilfe-Aufsichtsratsvorsitzende Maren Müller-Erichsen und Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher waren gekommen, um der Notwendigkeit von Barrierefreiheit Nachdruck zu verleihen. Sie waren sich einig: Es hat sich in den letzten Jahren viel zum Guten verändert, aber es reicht noch lange nicht aus.

Manchmal, sagt Groß, sind es nur Kleinigkeiten, die verändert werden müssen. So machen Bordsteinabsenkungen einen Weg passierbar und Flatterbänder helfen dabei, Baustellen rechtzeitig zu erkennen. Auch im Fall des China Restaurants Miller Haus haben die Kinder gleich eine praktische Lösung parat: »Man könnte eine Rampe an die Stufen legen«, sagt ein Junge. »Genau, gute Idee«, freut sich Steller-Nass. Der Arbeitskreis sowie der Kita-Erkundungsstrupp sind gespannt, ob ihr Vorschlag auch bei den Inhabern auf offene Ohren trifft. (Christine Steines)

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