»Ihr seid eure Zukunft«

Gießen (egb). »Kind, lern’ was Anständiges!« Diesen Satz hören Jugendliche häufig, wenn sie mit ihren Eltern über ihre beruflichen Zukunftspläne sprechen. Aber was bedeutet eigentlich »anständig« und wer definiert was »richtig« ist? »Die Entscheidung, wer man sein will, kann einem niemand abnehmen«, sagte Ali Mahlodji am Dienstagmorgen im Kinopolis vor 350 Schülern der 8. und 9. Klasse. Der EU-Jugendbotschafter war einer Einladung des »Netzwerk Bildung Mittelhessen« gefolgt und erzählte in seinem Vortrag »FutureRocka« von seinem Lebensweg, der alles andere als gerade verlief.
Im Iran geboren, kam er mit drei Jahren nach Österreich, weil seine Familie fliehen musste. Dort wuchs er in einem Flüchtlingsheim auf. Nach der Scheidung seiner Eltern begann er zu stottern und schmiss, aus Angst vor den mündlichen Prüfungen, ein halbes Jahr vor seinem Abschluss das Abitur. Er versuchte sich anschließend in mehr als 40 Jobs, holte das Abitur an der Abendschule nach und schloss ein Studium ab. Den Tod seines Vaters beschreibt Mahlodji als ausschlaggebenden Wendepunkt in seinem Leben - plötzlich realisierte er, dass ihn Geld und ein schickes Auto nicht länger glücklich machen. Mahlodji fragte sich, was er im Leben wirklich möchte, und entschied sich dazu, Lehrer in einem Gymnasium zu werden. Als er dort mitbekommt, wie orientierungslos seine Schüler hinsichtlich ihrer Zukunft sind, gründet er »whatchado«, eine Plattform, die mittlerweile schon über 7000 kurze Videos enthält, in denen Menschen über ihr Berufsleben sprechen.
In seinen Vorträgen, die auch auf internationaler Ebene Zuspruch finden, zeigt Mahlodji Jugendlichen Perspektiven auf und gibt Ratschläge in Sachen Berufsfindung. Seine Botschaft ist eindeutig: »Hört auf, euch ständig mit anderen zu vergleichen und ignoriert die Stimmen, die euch vorschreiben wollen, wer ihr sein sollt.« Das Wichtigste sei, sich auf das zu konzentrieren, was einem Spaß macht, und sich ein Umfeld aufzubauen, das einem den Rücken stärkt. Er habe die Erfahrung gemacht, dass jene Menschen am glücklichsten seien, die im Leben ihre eigenen Entscheidungen getroffen haben. Seine etwas andere Art der Berufsberatung kommt bei den Schülern an.
Stille, Popcornrascheln - eigentlich kein ungewöhnliches Szenario in einem Kino. Bedenkt man jedoch, warum die Schüler hier sind - nämlich, um sich einen Vortrag über ihre Zukunftsplanung anzuhören - ist das, was sich in Saal 6 des Kinopolis abspielt, beachtlich. Die Schüler ließen sich von Mahlodji und seinen Geschichten, Erfahrungen und Anekdoten mitreißen. Das zeigte sich auch nach der Veranstaltung: Viele suchten den Kontakt zu dem EU-Botschafter für ein kurzes Gespräch oder um ein Selfie zu machen. Kya, Schülerin der 9. Klasse der Friedrich-Ebert-Schule, sagte, ihr habe der Vortrag sehr gut gefallen und sie sei froh, dass ihr und ihren Mitschülern die Möglichkeit geboten wurde, an solch einer Veranstaltung teilzunehmen. Nicht viele Jugendliche bekämen kurz vor ihrem Abschluss diese Chance.
Ziel der »FuturRocka«-Tour ist es unter anderem, den Jugendlichen Lust auf Zukunft zu machen oder, um es in Mahlodjis Worten zu sagen: »Wenn ihr eine bessere Zukunft für euch wollt, müsst ihr verstehen, dass ihr diese Zukunft seid.«