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Humoristische Abenteuer eines Raumfahrers

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Von: Sascha Jouini

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Szene aus der achten Reise, in der die Organisation der Vereinigten Planeten über die Aufnahme der Erde berät. © Sascha Jouini

Gießen (jou). Eine außergewöhnliche szenische Lesung boten Studierende und Lehrende der Institute für Osteuropäische Geschichte und Slavistik kürzlich im Hermann-Levi-Saal. Sie präsentierten auf Deutsch und Polnisch Ausschnitte aus Stanislaw Lems »Sterntagebüchern«. Prof. Hans-Jürgen Bömelburg vom veranstaltenden Gießener Zentrum Östliches Europa führte als Motiv, sich mit Lem zu beschäftigen, nicht nur »Erfolg und Wirkmächtigkeit« des vielgelesenen Autors an, sondern unter anderem auch »die Brüche und Abgründe, die ihn zu einem Autor der Moderne machen«.

Die 1957 auf Polnisch erschienenen humoristischen Abenteuer des fiktiven Raumfahrers Ijon Tichy seien wegen vieler Neologismen schwer zu übersetzen. Wie die Lesung verdeutlichte, erzeugt Lem durch Neuwörter goteske komische Elemente als Gesellschafts- und Wissenschaftskritik.

Bömelburg übernahm die Erzählerrolle und Filip Schuffert sowie Magdalena Szych verkörperten den Raumfahrer Tichy. Gemeinsam mit neun weiteren Darstellern spielten sie diverse Szenen mit großer Begeisterungsfähigkeit. Da taten sich Absurditäten auf, wenn ein von Thomas Daiber gespielter exzentrischer Professor eines »Instituts für Astrozoologie« in der Einführung die Abhängigkeit des Verwandtschaftsgrades von der Geschwindigkeit postuliert oder Tichy als Abgesandter die Aufnahme der Erde beim Rat der Organisation der Vereinigten Planeten beantragt. Als Preis dafür wären eine Billion Tonnen Platin zu zahlen. Diese achte, sich als Traum manifestierende Reise des Raumfahrers gipfelt darin, dass Tichy nach Atomenergie gefragt wird und den Einsatz von Atombomben in Hiroshima und Nagasaki anführt. Tichy muss zugeben, dass die Menschheit keine Mittel kennt, das Klima und andere wichtige Dinge zu regulieren. Der Blick von außen auf die Erde mutet in dieser Szene recht merkwürdig an.

Eine weitere Szene aus der 20. Reise vergegenwärtigte, wie Zeitreisen mit sich bringen könnten, dass man mit einer anderen Epoche konfrontiert wird. So erhält Tichy Besuch von sich selbst aus dem 27. Jahrhundert und soll als Direktor in ein Programm hereingezogen werden, das die allgemeine Geschichte verbessert. Hintergrund des brisanten Plans: Gegenüber hochentwickelten kosmischen Zivilisationen verblasst die Menschheit, so gilt es den Geschichtsverlauf zu beeinflussen. An dieser Passage faszinierte das scheinbar Unmögliche, zu logischen Widersprüchen Führende. Bis zum Schluss verfolgten die Besucher gebannt der bereichernden Lesung, die vor Augen führte, wie klein und mit Mängeln behaftet die Menschheit aus der Weite des Kosmos anmuten mag. FOTO: JOU

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