Höhere Steuer für 26.000 Menschen in Gießen?
Die Umsetzung der Grundsteuerreform rückt näher. Für Eigentümer von älteren Immobilien in Gießen könnte die Steuer steigen.
Gießen - Bei der Kämmerei der Stadt Gießen werden sie froh sein, dass sie diesmal nur die Überbringer der Botschaft sind. Die Erinnerung an den Proteststurm, als die Stadt vor acht Jahren die Grundsteuer B auf bebaute Grundstücke anhob, ist noch nicht verblasst. Diesmal indes müssen sich die gut 26.000 Gießener Grundstückseigentümer beim Finanzamt beschweren, wenn sie mit der Neufestsetzung ihres Grundsteuerbetrags nicht einverstanden sind. Bis dahin wird es zwar noch einige Zeit dauern. Aber die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht verfügten Grundsteuerreform geht in die heiße Phase.
Wie Bürgermeister Alexander Wright und Kämmereileiter Dirk During am Donnerstag vor der Lokalpresse ankündigten, verschickt die Stadt ab Samstag per Brief Aufforderungen an die Gießener Grundstückseigentümer, gegenüber dem Finanzamt bis spätestens 31. Oktober Erklärungen über ihr Grundstücks- und Hauseigentum abzugeben. »Uns ist es wichtig, die Informationskampagne des Landes Hessen durch eigene Maßnahmen zu unterstützen, damit sich alle Eigentümer in Gießen gut informieren können«, erklärte Grünen-Politiker Wright, der seit 1. März Stadtkämmerer ist.

Die »neue« Grundsteuer tritt zwar erst ab 2025 in Kraft. Aber bereits jetzt sei die Mitwirkung der Eigentümer wichtig, damit das Finanzamt die Grundsteuermessbeträge ermitteln kann. Grundlage dafür sind die Eigentumsverhältnisse zum 1. Januar diesen Jahres. Wright rät den Betroffenen zur aktiven Mitarbeit am späteren Grundsteuerbescheid: »Wer nicht antwortet, wird vom Finanzamt geschätzt.« Abgegeben werden können die Erklärungen ab 1. Juli.
Höhere Steuern in Gießen: Mehr Briefe für Mehrfacheigentümer
In Gießen betrifft die Reform rund 25 000 Eigentümer, die Grundsteuer B und 1200 Eigentümer, die Grundsteuer A (unbebaute Grundstücke) zahlen. Größere Mehrfacheigentümer, die über mehr als 50 Grundstücke verfügen - dazu zählen Wohnungsbaugesellschaften wie die Wohnbau, Unternehmen mit vielen Liegenschaften wie die Stadtwerke oder die Stadt selbst - erhalten einen Brief. Das sind aber nur gut 20 Adressaten. Kleinere Mehrfacheigentümer, denen vier oder sechs Grundstücke gehören, erhalten ebenso viele Briefe.
Wright kündigte an, dass die Stadt ihre Informationskampagne über die gestrige Pressekonferenz hinaus mit weiteren Aufrufen in den sozialen Medien und klassischen Medien wiederholen und verstärken werde. Parallel werde es entsprechende Informationen auch vom Land Hessen geben, das hier federführend sei.
Gießen: Welche Auswirkungen hat Grundsteuerreform?
Auf die Stadt bzw. die Stadtverordnetenversammlung kommt in zwei Jahren die Aufgabe zu, den Grundsteuer-Hebesatz gegebenenfalls anzupassen, um dem Anspruch der Aufkommensneutralität zu entsprechen. Die Grundsteuerreform soll nämlich nicht zu einer Steuererhöhung durch die Hintertür führen, sondern zu mehr Steuergerechtigkeit.
Ungerecht aus Sicht des Verfassungsgerichts ist es nämlich unter anderem, dass Eigentümer von Häusern, die vor 1964 errichtet wurden, noch immer Grundsteuer errichten auf der Grundlage des damals ermittelten Werts. Denn danach fand keine regelmäßige Neubewertung mehr statt. Von daher geht auch Kämmereileiter During davon aus, dass in der Tendenz die Eigentümer von alten Liegenschaften etwas mehr als bisher und die von neuen etwas weniger zahlen werden. »Das ist zum jetzigen Zeitpunkt aber eine grobe Vorhersage«, fügte der Kämmereichef hinzu.
Grundsteuer B in Gießen: 21 Millionen in diesem Jahr
In diesem Jahr erwartet die Stadt Gießen eine Einnahme aus der Grundsteuer B in Höhe von etwa 21 Millionen Euro. Die Einnahmen waren auch zuletzt trotz unverändert hohem Hebesatz gestiegen. Einfacher Grund: Die Stadt ist gewachsen; neue Wohngebiete bringen auch zusätzliche Grundsteuereinnahmen.
Apropos Wohnungen: Die Grundsteuerreform bietet Kommunen die Möglichkeit, eine Grundsteuer C auf unbebaute Grundstücke zu erheben, die eigentlich bebaut werden könnten. »Das ist im Grunde ein Aufschlag zur Grundsteuer B«, erläuterte During. Wright will die Einführung dieser Aufschlagsteuer mit Blick auf Wohnungsnot und Baulücken prüfen, beschlossen werden müsste eine Grundsteuer C vom Stadtparlament. Für große Grundstücke wie das Gail-Gelände, für die Eigentümer zweistellige Millionenbeiträge bezahlt haben, rechnen Wright und During freilich nicht mit einer Initialzündung durch einen Steueraufschlag in vielleicht vierstelliger Höhe. Bis zum Inkrafttreten einer Grundsteuer C, die frühestens 2024 beschlossen würde, hat man für das Industrieareal vielleicht auch so eine Lösung gefunden.
Informationen und Hilfen zur neuen Grundsteuer gibt es im Internet unter: www.grundsteuer.hessen.de (Burkhard Möller)