High-Tech trifft Handwerkskunst

Das Unternehmen Pfeiffer Orthopädie-Schuhtechnik gibt es schon seit 190 Jahren. Tradition und Handwerkskunst spielen dabei eine große Rolle. Moderne Techniken nehmen aber einen immer größeren Stellenwert ein. Nicht nur bei Fehlstellungen und den Folgen von Diabetes-Erkrankungen.
26 Knochen, 33 Gelenke, über 100 Bänder: Der Fuß des Menschen ist ein komplexes Gebilde. Er trägt jahrzehntelang durchs Leben, und das nicht nur zur Distanzüberwindung. Wenn diese Funktion beeinträchtigt ist, bedeutet das in den meisten Fällen einen erheblichen Verlust an Lebensqualität. Christof Pfeiffer will das verhindern. »Zum Glück kommen auch vermehrt junge Menschen zu uns. Prävention wird immer wichtiger«, sagt der Orthopädieschuhmachermeister, der zusammen mit Vater Ingo Pfeiffer das gleichnamige Unternehmen mit Sitz in Großen-Buseck und der Diezstraße in Gießen betreibt. Schon 190 Jahre widmet sich die Familie den Füßen der Menschen - dabei zählt der Beruf des Orthopädieschuhmachers zu den jüngeren in Deutschland.
Den Grundstein des Familienunternehmens legte Johannes Pfeiffer III. im Jahre 1833. Damals handelte es sich noch um einen reinen Schuhmacherbetrieb. Das sollte auch viele Jahrzehnte so bleiben, erzählt Ingo Pfeiffer. »Mein Vater war auch Schuhmachermeister. Ich war der erste in der Familie, der 1989 die Ausbildung zum Orthopädieschuhmachermeister absolvierte.«
3D-Scan und Handarbeit
Vor der Industrialisierung gab es in nahezu jedem Ort Schuhmacher, die ihre Mitmenschen mit Maßanfertigungen versorgten. Nach den Weltkriegen konzentrierten sich einige von ihnen jedoch auf die Versorgung der Kriegsversehrten, erzählt Ingo Pfeiffer. »Auch in meinen Anfangsjahren kamen noch regelmäßig Kriegsopfer zu uns.« Diese Zeiten sind vorbei. Und auch sonst hat sich bei den Pfeiffers vieles geändert.
Das Angebot des Familienunternehmens umfasst mehrere Gebiete. »Wir bieten zum Beispiel orthopädische Einlagen an, sogar unter unserer eigenen Marke Optinovo«, sagt Christof Pfeiffer. Diese Eigenkreationen werden aus einem speziell zusammengesetzten Kunststoffblock gefräst und im Anschluss weiter veredelt. »Wir bieten also nicht wie gängige Unternehmen ausschließlich Einlagen nach dem Standartprinzip an.« Gleichzeitig ist Christof Pfeiffer stolz darauf, dass große Teile des nicht verwendeten Kunststoffs wiederverwertet werden, entweder für neue Einlagen oder aber als Grundstoff für Dämmmaterialien.
Auch die Anpassung von konfektionierten Schuhen sowie die Anfertigung komplett maßangefertigter orthopädischer Schuhe sind wichtige Bausteine des Unternehmens, sagt der Junior-Chef. Bis vor einigen Jahren wurden die Schuhe auch in dem Geschäft an der Ecke Sonnenstraße verkauft, wegen der schlechteren Erreichbarkeit, gerade für Menschen mit Fußproblemen, haben die Pfeiffers den Laden jedoch geschlossen und das Angebot am Hauptstandort in Großen-Buseck konzentriert. Die Diabetesversorgung ist ein weiterer Schwerpunkt in Buseck und Gießen.
»Ich habe 1994 angefangen, mich mit dem diabetischen Fußsyndrom zu beschäftigen. Das war damals in unserer Branche kaum bekannt«, sagt Ingo Pfeiffer. Erst durch eine gemeinsame Studie mit der Justus-Liebig-Universität sei dieser Thematik größere Bedeutung beigemessen worden. Für Ingo Pfeiffer wurde sie zum Steckenpferd. Seit 30 Jahren arbeitet er bereits mit heimischen Kliniken zusammen und ist in den Fußambulanzen für Diabetiker tätig. Nach der Akutversorgung fertigt er für die Betroffenen auch spezielle Fußbettungen und Schuhe an.
Ingo Pfeiffer erklärt, dass zu hoher Blutzucker auf Dauer die Nerven und Gefäße angreift. Dadurch nehme die Schmerz- und Druckempfindlichkeit ab, die schlechte Durchblutung leiste ihr übriges, besonders an den Füßen. Daher seien für Diabetes adaptierte Fußbetten sehr wichtig, dass sie den Druck besser verteilten. »Das ist volkswirtschaftlich ein riesiges Thema«, sagt Ingo Pfeiffer, »die Hälfte der jährlich 40 000 durch Diabetes verursachten Fußamputationen in Deutschland könnten durch entsprechende Vorsorge verhindert werden.«
Diabetes im Fokus des Senior-Chefs
Das Unternehmen Pfeiffer ist führend auf diesem Gebiet, sowohl im Stammhaus in Großen-Buseck als auch im Geschäft in der Gießener Diezstraße widmen sich die 20 Mitarbeiter den Füßen von Diabetikern, Aber auch andere Leiden und Fehlstellungen sind Gründe, warum die Kunden die Pfeiffers aufsuchen. Und dabei kommen auch immer modernere Methoden zum Einsatz.
Während früher Leisten mit Hilfe von Gipsabdrücken der Füße angefertigt wurden, kommen nun 3D-Laserscanner zum Einsatz. »Anschließend werden die Leisten aus einem Holzblock gefräst und per Hand veredelt«, sagt Christof Pfeiffer. Dank des Laser-Scans können die Kunden ihre Füße in 3D auf dem Computerbildschirm sehen. Unterschiedliche Farben zeigen dabei auf, an welcher Stelle des Fußes der Druck am höchsten ist. »Früher ging das nur mit einer Rastermatte und Tinte.«
Wegen dieser digitalen Möglichkeiten hat die Branche inzwischen auch Wettbewerber, die ihren Service ausschließlich online anbieten. Allerdings sieht Christof Pfeiffer diesen Wettbewerb gelassen. »Die Anbieter arbeiten im Gegensatz zu uns mit industriell vorgefertigten Einlagen. Die können nicht jedem passen.« Der 28-Jährige rechnet daher damit, dass viele Kunden von Online-Anbietern enttäuscht werden und schließlich doch zum stationären Orthopädieschuhmacher zurückkehren. »Eigentlich sind die Online-Anbieter sogar ein Pluspunkt für uns, da sie viel Werbung für das Produkt Einlage machen.«
Wobei die Pfeiffers auf Werbung nur bedingt angewiesen sind. Schon jetzt könnten sie mehr Kunden versorgen, wenn die Kapazitäten es hergeben würden. »Leider fehlen aber auch uns die Fachkräfte«, sagt Christof Pfeiffer und kündigt an, demnächst vermehrt nach neuen Mitarbeitern und Auszubildenden suchen zu wollen, auch durch eine Stärkung der Social-Media-Kanäle. Die Pfeiffers erhoffen sich dadurch junge Menschen zu gewinnen, die Interesse an High-Tech-Einsatzgebieten haben - gleichzeitig aber auch gewillt sind, den Fuß noch in die Hand zu nehmen.