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»Heimwegtelefon« ist gefragt

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Von: Burkhard Möller

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Auf solchen Wegen durch die Nacht kann eine Stimme am Telefon Sicherheit geben. SYMBOL © DPA Deutsche Presseagentur

Die Idee kommt aus Skandinavien, wo die Nächte im Winterhalbjahr besonders lang und dunkel sind. In Schwedens Hauptstadt Stockholm wählen vor allem Frauen seit vielen Jahren die Nummer des »Heimwegtelefons«, bevor sie sich auf den Weg nach Hause, zur Bushaltestelle oder dem Auto machen. In Deutschland wird diese Hotline von einem Verein betrieben. Mit dem soll die Stadt nun kooperieren.

Wenn es mal wieder später geworden ist und der Heimweg durch die Innenstadt vor ihr liegt, wählt die Gießenerin mit ihrem Handy die Nummer einer Freundin und telefoniert mit ihr, bis sie zu Hause angekommen ist. »Die Gesprächssituation gibt mir Sicherheit«, erzählte die Frau am Montagabend am Rande der Sitzung des parlamentarischen Hauptausschusses im Rathaussaal am Berliner Platz. Der Ausschuss beriet gerade einen CDU-Antrag, der laut dem Stadtverordneten Volker Bouffier zur Stärkung der »subjektiven Sicherheit« beitragen soll.

Viel zu diskutieren gab es nicht, da die Union mit ihrem Vorstoß, die Stadt Gießen möge mit dem in Dresden ansässigen Verein »Heimwegtelefon« e. V. kooperieren, auf nahezu ungeteilte Zustimmung der anderen Fraktionen stieß. »Wir unterstützen dieses Anliegen«, sagte Grünen-Fraktionschefin Vera Strobel.

Stadt hat Kontakt aufgenommen

Offene Türen rennt die CDU mit dem Antrag auch beim Oberbürgermeister ein. Nachdem Wiesbaden als erste Großstadt mit dem Verein eine Kooperation eingegangen sei, habe man Kontakt aufgenommen, berichtete Frank-Tilo Becher. Allerdings sei die Nachfrage von kommunalen Kooperationspartnern derart groß, dass es zu einem Stau gekommen sei. »Der Verein führt Listen mit Städten, die mitmachen wollen«, sagte OB Becher.

Das Heimwegtelefon ist ein Service, bei dem man nachts anrufen kann, wenn man sich auf dem Heimweg unwohl fühlt. »Am Telefon begleitet ein ehrenamtlich Tätiger des Vereins den Anrufenden bis nach Hause. Durch ein nettes Gespräch haben die Anrufer das Gefühl, nicht alleine nach Hause zu gehen. Dadurch fühlen sie sich nicht nur wohler, sondern strahlen auch eine größere Sicherheit aus. Das kann auch zu einer Vermeidung von Überfällen beitragen«, hatte die antragstellende CDU-Fraktion in einer Pressemitteilung erläutert.

Beim »Heimwegtelefon« sind 2021 nach Vereinsangaben 8000 Gespräche geführt worden. Die Anrufe kamen aus dem gesamten Bundesgebiet. Etwa drei Viertel aller Anrufer sind Frauen. In 15 Fällen alarmierten die Mitarbeiter des Vereins Polizei und/oder Rettungsdienste, weil die Anruferin während des Gesprächs in eine bedrohliche Situation geraten war. Gegenwärtig arbeiten rund 100 ehrenamtliche telefonische Wegbegleiter für den Verein.

Dass zur Nutzung des Angebots eine Kooperation mit der Heimatkommune nicht nötig ist, darauf machte Günter Helmchen (Freie Wähler) aufmerksam. »Ich kenne Frauen aus Gießen, die nutzen das schon. Also einfach machen«, ermunterte Helmchen den Magistrat, mit dem Verein zu kooperieren und das Angebot in Gießen bekannt zu machen.

In Wiesbaden unterstützt die Stadt den Verein zum einen mit Wissenstransfer, etwa zu den Themen Fundraising oder Vereinsrecht. Zum anderen finanziert die Stadt professionelle Werbematerialien, die der Verein überall nutzen kann. Dazu zählen Getränkeuntersetzer, Plakate, Postkarten, Visitenkarten und Sticker, die an öffentlichen Orten und in Restaurants, Clubs und Bars verteilt werden. Den Anstoß, mehr für die subjektive Sicherheit zu tun, hatte in Wiesbaden eine Umfrage anlässlich des Internationalen Frauentags 2022 gegeben.

Was wurde aus »Luisa ist hier!«

In Gießen hat es zuletzt mehrere Initiativen in diese Richtung gegeben, die aber gescheitert sind oder sich noch in der Umsetzung befinden. Die Absicht, im Schmuddeltunnel, der auf dem Weg zwischen der Bahnhofstraße und der Lahnstraße liegt, einen Video-Notruf zu installieren, scheiterte am Datenschutz. Vom Hilferuf-Projekt »Luisa ist hier!«, das der Magistrat laut einem knapp ein Jahr alten Parlamentsbeschluss in Gießen umsetzen soll, hat man seitdem nichts mehr gehört. Die Frage, ob in Gießen ein Frauennachttaxi wieder eingeführt wird, soll bald beantwortet werden.

Unter dieser Nummer ist das Heimwegtelefon bundesweit zu erreichen: 030 12074182. Es gelten die Telefongebühren des Mobilfunkanbieters des Anrufers. Zeiten: Sonntag bis Donnerstag: 21 bis 24 Uhr, Freitag und Samstag 21 bis 3 Uhr.

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