»Happy birthday, Mister Holroyd«

Weltstars in der Gießener Kongresshalle? Nichts ist unmöglich. Am Montag waren dort Barclay James Harvest zu Gast - genauer die Nachfolgeformation um Sänger Les Holroyd. Und der 75-Jährige bekam im ausverkauften Saal auch gleich noch ein Geburtstagsständchen gesungen.
Als Barclay James Harvest im März 1998 eine Pause ankündigten, bedeutete das das Ende der ursprünglichen Formation. Die Band spaltete sich in zwei verschiedene Gruppen auf, die beide den Bandnamen für Soloprojekte nutzen. Sänger und Bassist Les Holroyd tourt seitdem unter dem Namen Barclay James Harvest feat. Les Holroyd und war in dieser Formation am Montagabend in der fast ausverkauften Kongresshalle zu Gast.
Der Sound von »BJH« ist legendär wegen seines orchestralen Klangs. Dass der allein auf Keyboards, Mellotrom (einem Tasteninstrument als analoge Urform des Samplers), Schlagwerk und an diversen Gitarren entsteht, führt der Auftritt der Musiker noch einmal deutlich vor Augen. Dass die Stimme von Les Holroyd, der am Tag vor dem Konzert seinen 75. Geburtstag feiern konnte, erkennbar an Kraft verloren hat, die Töne nicht immer glasklar sitzen und der Text schwer verständlich bleibt, fällt da nicht weiter ins Gewicht. Denn das Publikum weiß es zu schätzen, eine echte Legende der Musikgeschichte live erleben zu dürfen.
Im Musikgedächtnis verankerte Songs
Und es liebt offenkundig den zierlichen Briten mit der üppigen, mittlerweile hellgrauen Lockenmähne und dem Bart, der erkennbar gerührt ist, als die Besucher ihm zu Ehren ein »Happy birthday, Mister Holroyd« anstimmen, nach all den vielen Jahren noch immer.
Auch die Songs von Barclay James Harvest sind fest im kollektiven Musikgedächtnis derjenigen verankert, die der Band und vor allem ihrem Nachfolgeprojekt »BJHFLH« die Treue halten. Melancholische Songs wie »Mockingbird« oder »Child of the universe«, aber auch das von afrikanischer Rhythmik getragene schmissigere »African nights« laden zum Träumen ein. Und irgendwie hat man durchweg das Gefühl, man müsste diese Songs nicht in einer eher nüchtern wirkenden Halle, sondern besser bei einer nächtlichen Fahrt im Cabrio unter dem funkelnden Sternenhimmel hören.
Eher nüchtern ist auch die Auftrittschoreographie der Meister des Progressive-Rock. Sie verzichten nicht nur mehr oder weniger auf üppige Anmoderationen, sondern stehen mit stoischer Gelassenheit auf der Bühne, die wechselnden Gitarren in der Hand. Steve Butler ist am Keyboard ebenso versiert wie an den diversen Gitarren. Neuzugang Jens Skwirblies, der mit grauem Seemannsbart und Mütze seine Eckernförder Herkunft optisch nicht verleugnen kann, passt sein Spiel am Keyboard virtuos an den unverwechselbaren BJH-Sound an, der entstand, als er selbst noch ein Kind war. Und auch Drummer John Blackburn demonstriert an den Drumsticks, was er zum orchestralen Klang beitragen kann.
Mike Byron Hehir an der Lead-Gitarre
Während Les Holroyd am Rand nahezu bewegungslos steht, mit seiner eher hohen Stimme singt und wie eh und je mit flinken Fingern den Bass zupft, gehört die große Gitarristenbühne Lead-Gitarrist Mike Byron Hehir. Der hat mit Weste und gelassenem Gesichtsausdruck zwar die Ausstrahlung eines gechillten Gymnasiallehrers, erweist sich an der Gitarre aber als ein echter Meister seines Fachs. Virtuos beherrscht er sein Instrument und ist maßgeblich daran beteiligt, dass die von Les Holroyd nonchalant angekündigten »old songs« auch noch nach all den Jahren original klingen.
Und dann holen Barclay James Harvest feat. Les Holroyd nach gut zwei Stunden Programm mit kurzer Erholungspause dazwischen noch einmal die ganz große Nummer heraus. »Hymn«, das wirklich jeder kennt, erklingt mit sattem Sound. Das Publikum erhebt sich von den Sitzen, zückt die Smartphones als Leuchten und singt begeistert mit, von den »Valley’s deep and the mountain’s so high«. Ohne Zugabe wollen sie die Legenden auf der Bühne dann natürlich nicht mehr gehen lassen. Eine Bitte, die die Musiker gerne erfüllen.