»Es ist fünf vor zwölf«: Große Unsicherheit an Gießener Uniklinik

Zum Jahresende läuft der Vertrag zwischen dem Land Hessen und dem Rhön-Konzern aus. Die Unsicherheit an der Uniklinik Gießen-Marburg wächst.
Gießen – Am Mittwoch hat sich Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) mit dem Chef von Asklepios, Bernard große Broermann, getroffen. Es ging um die Uniklinik Gießen-Marburg. »Vertraulich« sei das Gespräch gewesen, »sehr konstruktiv«, sagt Staatssekretärin Ayse Asar, die am Donnerstag im Wissenschaftsausschuss Ministerin Angela Dorn (Grüne) vertrat. Im Klartext:
Fortschritte im Konflikt um die Zukunft der privatisierten Uniklinik hat der Austausch auf Chefebene nicht gebracht.
Dabei sei es allerhöchste Zeit, die Verunsicherung unter den Beschäftigten sei groß, sagt Daniela Sommer (SPD). »Es ist fünf vor zwölf.« Zum Jahresende läuft der Vertrag zwischen Land und Rhön-Konzern aus, das Personal ist dann nicht mehr vor Kündigungen und Ausgliederungen geschützt. Die Abmachung sichert dem zu Asklepios gehörenden Klinikkonzern aber auch Landeszuschüsse zu. »Eine Anschlussvereinbarung vor dem 31. Dezember ist wichtig«, sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD. Deshalb habe sie gemeinsam mit der FDP den dringlichen Berichtsantrag eingebracht.
Uniklinik Gießen-Marburg hatte bei Privatisierung auf jegliche Investitionsförderung verzichtet
Seit August gebe es keine Gespräche, der letzte Brief des Landes vom September blieb bisher unbeantwortet. Es reiche nicht, wenn die Landesregierung, wie Asar sagt, »gespannt« darauf warte, welche »neuen Impulse« Tobias Kaltenbach bringe, der zum 1. November den bisherigen Rhön-Aufsichtsrat und Verhandlungsführer Christian Höftberger abgelöst hat.
Staatssekretärin Asar hat zuvor den Fragekatalog von SPD und FDP abgearbeitet: Von einem Interesse an einem außergerichtlichen Verfahren in Form einer Schlichtung sei nichts bekannt. Dabei würden alle davon profitieren, wenn die vor knapp einem Jahr im »Letter of Intent« festgehaltenen Punkte in einen neuen Zukunftsvertrag mündeten. Die Kranken in Gießen und Marburg, die Beschäftigten, Forschung und Lehre und Rhön/Asklepios selbst.
Bei der Privatisierung vor 16 Jahren hatte der Konzern auf jegliche Investitionsförderung verzichtet. Das Land sagt »unbefristet«, Rhön »nur bis 2010«. Gleichwohl ist Wiesbaden bereit, in den nächsten zehn Jahren 500 Millionen Euro nach Mittelhessen zu überweisen, knüpft dies aber an eine Bedingung: Im Fall eines Verkaufs muss der Konzern das Steuergeld ans Land zurückzahlen, damit nicht die Aktionäre daran verdienen.
Uniklinik Gießen-Marburg: Land Hessen stellt Bedingung
Das ist der Grund dafür, dass Rhön die Gespräche abgebrochen hat. »Ein jahrelanger Rechtsstreit wäre kostspielig und würde große Unsicherheit bedeuten«, sagt die Staatssekretärin. Und versichert, dass die gesundheitliche Versorgung weiter gewährleistet sei. Das Land bereite sich auf »konkrete Szenarien« vor.
Die Regierung werde sich nicht erpressen lassen, stellt Nina Eisenhardt (Grünen) klar. »Es ist der Konzern, der seine Position ändern muss.« Letztlich schade er sich selbst, weil er in Zeiten des Fachkräftemangels Verunsicherung in der Belegschaft säe. »Die Situation ist jetzt schon prekär«, betont Christiane Böhm von der Linksfraktion und erinnert daran, dass auch schon mal das Personal einer Station geschlossen gekündigt habe. Die »unsägliche Entscheidung« der Privatisierung müsse zurückgenommen werden. Steuergeld dürfe nicht »in den Rachen« profitorientierter Gesundheitskonzerne landen. »Man muss zu einer Entscheidung kommen.« (Jutta Rippegather)
Der kürzliche Wechsel im Chefsessel des Rhön-Konzerns ist derweil auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während die Ärzte des Uniklinikums Gießen-Marburg durch den vorzeitigen Abgang von Christian Höftberger auf einen Neuanfang in den Verhandlungen mit dem Land hoffen, reagierte die Politik zurückhaltend.