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Gigg befürchtet »Gießen 2095Null«

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Von: Burkhard Möller

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Gießen (mö). Der Weg ist noch weit, sehr weit. Und er ist schwer, sehr schwer: Immer noch werden pro Jahr in Gießen um die 590 000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid ausgestoßen. In 14 Jahren soll dieser Ausstoß, in den der Privatkonsum der rund 90 000 Einwohner nicht einmal einbezogen ist, komplett verschwunden sein. Zu diesem Ziel hat sich die Stadtverordnetenversammlung im September 2019 bekannt, als sie den Bürgerantrag »Gießen2035 Null« beschloss.

Bestandteil dieses Beschlusses ist auch die regelmäßige Vorlage von »Klimaschutzberichten«; der für 2021 liegt nun vor und wurde am Montag- und Dienstagabend bei einer digitalen Bürgerinformationsveranstaltung und im parlamentarischen Umweltausschuss präsentiert und diskutiert.

Auf den ersten Blick enthält der Bericht eine erfreuliche Zahl: Entgegen der Erwartung hat Gießen 2020 das sogenannte 40-Prozent-Ziel erreicht und übertroffen. Das heißt, dass die CO2-Belastung im Basisjahr 1990 30 Jahre später um 40 Prozent reduziert worden ist. Genau sind es sogar 44 Prozent, und das bei einer - gegenüber 1990 - deutlich gewachsenen Einwohnerzahl. Der scheinbar überraschende Sprung ist allerdings auch der Corona-Pandemie geschuldet, in der unter anderem aus beruflichen Gründen phasenweise viel weniger Auto gefahren wurde.

Dass die Erreichung des 40-Prozent-Ziels im Jahr 2020 für die Zielmarke 2035 völlig irrelevant ist, machte Gigg/Volt-Fraktionschef Lutz Hiestermann deutlich, der den Bericht in einem nicht einmal zehn Minuten dauernden Redebeitrag in der Ausschusssitzung regelrecht zerpflückte. »Wir müssen das Tempo dramatisch erhöhen«, sagte Hiestermann und rechnete vor, dass der CO2-Ausstoß jährlich um 40 000 Tonnen reduziert werden müsste, soll das Ziel der Klimaneutralität 2035 erreicht sein. »Wir schaffen im Moment aber nicht einmal ein Viertel. Wenn wir so weitermachen, haben wir ›Gießen 2095Null‹«, stellte der Initiator des Bürgerantrags angesichts von »Reduzierungen im Kilogrammbereich« fest, die der Bericht aufliste. »Wir müssen an die großen Bereiche ran«, sagte Hiestermann und forderte ein Ende des »kleinteiliges Denkens«, Investitionen der Stadtwerke in erneuerbare Energien und eine schnellere »Dekarbonisierung« der SWG-Energiererzeugungsanlagen.

Bestätigt fühlen dürfte sich Hiestermann durch die am Freitag bekannt gewordene deutliche Anhebung des Fernwärmepreises durch die Stadtwerke. Die SWG geben unter anderem die CO2-Bepreisung von Erdgas, das der Versorger nach wie vor bei der Erzeugung von Fernwärme einsetzt, an ihre Kunden weiter.

Die Vertreter der Koalitionsfraktionen Grüne, SPD und Gießener Linke quittierten Hiestermanns Verriss mit Schweigen. Auch auf der Magistratsbank rührte sich nichts, obwohl Hiestermann moniert hatte, dass der von einer Mitarbeiterin des städtischen Klimaschutzbüros vorgestellte Bericht nicht einmal ein Impressum mit Hinweis auf Zuständigkeiten enthalte.

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