Gießener Parks werden trotz Müllproblemen nicht zu „Verbotszonen“

Die große Mehrheit im Gießener Stadtparlament ist gegen Alkohol- und Grillverbot in den städtischen Parks. Wie man dem massiven Müllproblem beikommen will, bleibt unklar.
Gießen - Die Mitarbeiter des Gartenamts und der Stadtreinigung in Gießen müssen sich seit einigen Wochen wie Sisyphus aus der griechischen Sage vorkommen. Was bei der tragischen Sagengestalt ein schwerer Fels war, der ihm immer wieder den Hang hinabrollte, sind für die Sauberfrauen und -männer der Stadt die Abfallansammlungen, die sich fast jeden Tag neu neben Mülleimern oder einfach auf den Wiesen im Stadtpark Wieseckaue oder in der Lahnaue auftürmen.
Gegen dieses Fehlverhalten hat die AfD-Fraktion in einem Antrag nun eine drastische Maßnahme gefordert: ein Alkohol- und Grillverbot im Stadtpark und an den innerstädtischen Lahnufern bis zur Wieseckmündung. Es wäre die Verschärfung eine Benutzungsverordnung, die die Stadt Gießen erst vor einem Jahr für den Stadtpark und die Lahnaue erlassen hatte, nachdem einige Freiluft-Partys aus dem Ruder gelaufen waren.
Gießen: Was bringt eine Verordnung, „an die sich niemand hält“?
Die Realität der ersten warmen Wochen des Jahres zeigt indes, dass sich ein Teil der Naherholungssuchenden um die Regeln nicht schert und sie vermutlich - trotz Aushängen - auch gar nicht kennt. Der SPD-Stadtverordnete Gerhard Merz brachte das Dilemma, vor dem nicht nur die Stadt Gießen steht, auf den Punkt: »Was soll es bringen, eine Verordnung, an die sich niemand hält, durch eine andere Verordnung zu ersetzen, an die sich auch niemand hält?«
Die anderen Fraktionen stimmten der AfD zu, aber nur, was die »Zielsetzung« des von Fraktionschefin Sandra Weegels begründeten Antrags betraf. »Diese Abfallansammlungen gefallen uns allen nicht«, sagte SPD-Fraktionschef Christopher Nübel. Aber »Verbotszonen« und »No-Go-Areas« lehne man ab. Der hohe Freizeitdruck, der auf dem Stadtpark Wieseckaue laste, sei auch ein »gutes Zeichen«. Nübel: »Der Stadtpark ist dank der Landesgartenschau hochattraktiv geworden.« Es wäre unsinnig, Gruppen von der Nutzung nun ausschließen zu wollen. Zudem seien Restriktionen wie ein Alkoholverbot auch rechtlich nur schwer durchsetzbar.
Kein Alkohol- oder Grillverbot in Gießen: „Muss erlaubt sein, Flasche Bier zu trinken“
Dem pflichtete Dominik Erb, Vorsitzender der FDP-Fraktion bei. Die AfD, die beantragt hattem so etwas wie Partyzonen auf dem Open-Air-Gelände an der Karl-Glöckner-Straße und der Lahnwiese hinter der Wieseckmündung auszuweisen, auf dem Alkohol und Grillen erlaubt wären, schieße mit »Kanonen auf Spatzen«. Regeln für das Verhalten in den Parks gebe es genug: »Vielleicht haben wir ein Durchsetzungsproblem«, meinte Erb.
Aus der besagten Benutzungsordnung, die das Gießener Gartenamt im Sommer 2021 erlassen hatte, zitierte die Stadtverordnete Christiane Janetzky-Klein (Grüne). Verboten ist unter anderem, laute Musik nach 22 Uhr abzuspielen, Abfälle liegenzulassen oder offene Feuer zu entzünden.
Das Grillen und der Konsum von Alkohol sind demnach nicht untersagt, was Erb auch richtig findet: »In einer Studentenstadt muss es doch erlaubt sein, abends an der Lahn mal eine Flasche Bier zu trinken.«
Gießen: Verweis auf offizielle Grillplätze
Dem Eindruck, die Benutzungsordnung werde nicht kontrolliert, trat Bürgermeistzer Alexander Wright (Grüne) entgegen, der seit 1. März Ordnungsdezernent ist. Sowohl Ordnungspolizei als auch Landespolizei seien an den neuralgischen Punkten unterwegs. Nicht nur, um Fehlverhalten zu sanktionieren, sondern auch, »um das Problembewusstsein zu schärfen«. Diese Aufgabe sollen auch die Müllscouts übernehmen, die laut einer Ankündigung der Stadt ab Juni wieder in Gießen unterwegs sein werden. »Zig neue Mülleimer aufzustellen« bringt nach Überzeugung von Wright »nichts«.
Für Gartenamtsdezernentin Gerda Weigel-Greilich (Grüne) steht »Müllvermeidung an erster Stelle«. Diesbezüglich sieht sie den Gesetzgeber am Zug und meinte damit wohl ein Verbot von Einwegverpackungen. Immerhin tritt zum 1. Januar in der EU für Einzelhandel und Gastronomie die Pflicht in Kraft, für To-go-Waren neben Einweg- auch Mehrwegverpackungen anzubieten. Versuche von deutschen Städten wie Tübingen, eine Steuer auf Einweggeschirr einzuführen, sind dagegen wiederholt vor Gerichten gescheitert
Weigel-Greilich und ihre Parteifreundin Janetzky-Klein vewiesen auf die Möglichkeit, Grillplätze wie jene auf dem Schiffenberg oder in Kleinlinden zu mieten. Für die auf die Innenstadt fixierte Jugend dürften das freilich kaum Alternativen sein. Der Antrag der AfD wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. (Burkhard Möller)