Gießener Gelbwesten öffnen sich der NPD
Gelbwesten-Initiator Ronny Böhm begrüßt die »Schutzzonen«-Aktion der Neonazi-Partei. Die ist mit einem provokativen »Spaziergang« an der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung aufgefallen.
Als die Gießener Allgemeine Ende Januar in einem Bericht über die Gießener Gelbwesten-Bewegung angesichts etlicher fragwürdiger Beiträge im sozialen Netzwerk Facebook die Frage aufwarf, wie es um die von der Gruppe selbst herausgestellte Überparteilichkeit der Bewegung bestellt ist, reagierte Initiator Ronny Böhm mit Unverständnis. Es sei nicht in Ordnung, die Gruppe »in die rechte Ecke« zu stellen und so den legitimen Protest gegen gesellschaftliche Missstände zu diskreditieren, erklärte er damals in einem Gespräch mit der GAZ. Nun hat Böhm selbst dafür gesorgt, dass die Frage, welche politische Ausrichtung die »Gelben Westen Gießen« haben, beantwortet wurde. Der Busecker hat Aktivisten einer von der rechtsextremen NPD gesteuerten Aktion zur Teilnahme an den Demonstrationen der Gießener Gelbwesten eingeladen.
Mit der Aktion »Schutzzone« versucht die NPD seit geraumer Zeit, bundesweit Aufmerksamkeit zu erregen. Sie läuft immer nach dem gleichen Muster ab: Mehrere NPD-Mitglieder ziehen rote Westen mit dem Symbol der Aktion und der Aufschrift »Wir schaffen Schutzzonen« an, laufen damit durch eine Stadt, lassen sich von hinten fotografieren und produzieren daraus Beiträge für die sozialen Netzwerke. Suggeriert werden soll, dass die Rotwesten Streife laufen und so für mehr Sicherheit vor Kriminalität sorgen. Vor einigen Wochen waren die Aktivisten mit den roten Westen bereits in der Gießener Innenstadt unterwegs. Vor wenigen Tagen ließen sie sich vor der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge an der Rödgener Straße ablichten.
Da ist viel Show und Inszenierung dabei
Polizeisprecher Jörg Reinemer über die Aktion »Schutzzone«
Ein Bild zeigt die Gruppe beim »Spaziergang« am Haupteingang, im Hintergrund sind die Schilder des Gießener Regierungspräsidiums und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu sehen. Im dazugehörigen Text auf der Facebookseite der Aktion »Schutzzone« heißt es: »Bei Unterbringungszeiten von bis zu 18 Monaten kann der ein oder andere schon mal zu viel ›Langeweile‹ bekommen. Daher haben wir hier und im umliegenden Gebiet einmal nach dem Rechten gesehen.«
NPD-Funktionäre unterstützen Beitrag
Dieser Facebook-Post wurde am Montag auf der Seite der Gelben Westen Gießen von Sebastian Wendler geteilt. Richtig heißt Wendler Sebastian Weigler. Er ist laut Medienberichten Funktionär der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten im »Stützpunkt Braunschweig«. Der Beitrag wurde von mehreren prominenten mittelhessischen NPD-Funktionären wie Thassilo Hantusch und Daniel Lachmann, die auch der Facebook-Gruppe »Gelbe Westen Gießen« beigetreten sind, gelikt.
Das veranlasste Gelbwesten-Initiator Böhm am Dienstag wohl dazu, den Beitrag auf der Facebookseite der »Schutzzone« zu kommentieren. Böhm schrieb: »Gern könnt ihr samstags bei uns mitlaufen« und fügte als Symbole einen Handschlag sowie die Deutschlandfahne an und stellte den Terminkalender mit den Demos der Gießener Gelbwesten dazu.
Ich finde es gut, was die machen. Unser Staat kriegt das ja nicht mehr hin
Gelbwesten-Initiator Ronny Böhm über die Aktion »Schutzzone«
Auf Anfrage erklärte Böhm, dass ihm bewusst sei, dass die NPD hinter der Aktion »Schutzzone« steht. »Ich finde es gut, was die machen. Unser Staat kriegt das ja nicht mehr hin«, sagte er. Im Übrigen könne jeder ungeachtet seiner politischen Ausrichtung bei den Gießener Gelbwesten mitmachen. »Das ist ein Angebot an alle Bürger dieses Landes.«
Im Blick der Polizei
Auch die Polizei hat die Aktion »Schutzzone« im Blick, will der NPD-Propaganda aber keine unnötige Aufmerksamkeit verschaffen. »Da ist viel Show und Inszenierung dabei«, sagt Jörg Reinemer vom Polizeipräsidium Mittelhessen. Bekomme die Polizei Hinweise auf Aktionen in der Nähe, würden Streifen zum Nachschauen geschickt, aber meistens werde niemand angetroffen, weil der angebliche Streifengang mit der Fotoaufnahme nach wenigen Minuten beendet werde, vermutet Reinemer. Geprüft werde gleichwohl in jedem Fall, ob gegen das Versammlungsgesetz verstoßen wurde.
Info
Islamisten als Vorbild
Ironie an der Geschichte mit der NPD-Aktion »Schutzzone«: Die Idee stammt ursprünglich von Islamisten, die 2014 als »Scharia-Polizei« in orangefarbenen Westen durch Wuppertal gelaufen sind, um muslimische Männer vor Alkoholkonsum und Bordellbesuchen zu warnen und sie auf den rechtgläubigen Weg zurückzuführen.