Gießener Boxerclub bald ohne Mimi

Im Syrtaki im Boxerclub gibt es einen Brauch, auf den alle Stammgäste großen Wert legen. Zur Begrüßung gibt es einen Ouzo, nicht wie sonst üblich nach dem Essen. Für Dimitrios Anagnostopoulos, den alle Welt Mimi nennt, macht das Sinn: So haben das früher die griechischen Bauern gehalten, wenn sie vom Feld nach Hause kamen. Ein Schluck Anisschnaps ist der Auftakt für einen entspannten Abend - damals wie heute.
Gespannte Blicke mustern den Wirt. Dann das Lokal und die Speisekarte. Das Gesicht des Gastes erhellt sich: »Mimi, du bist noch da! Und alles ist fast so wie damals.« Immer wieder gibt es solche Szenen, wenn ein ehemaliger Student seine frühere Universitätsstadt besucht. Zu den Erinnerungen gehören für viele auch die Besuche im Boxerclub. Das griechische Lokal ist seit 1982 bekannt für den Ouzo vorneweg, für die familiäre Atmosphäre, die großen Fleischportionen und das Wirteduo Dimi und Mimi. »Damals kamen viele junge Leute zu uns. Und viele, die in Gießen geblieben sind, kommen heute noch gerne hierher«, sagt Mimi. Dafür ist er dankbar. Der 66-Jährige kennt ihre Familien, er hat die Kinder aufwachsen sehen und freut sich nun mit ihnen über die Enkel. 40 Jahre war der Boxerclub sein Leben, nun zieht er sich zurück. »Es war eine gute Zeit, aber nun ist es genug«, sagt er.
Was macht man, wenn die Wirte Dimitrios Anagnostopoulos und Dimitrios Ikonomou heißen? Man wählt unterschiedliche Spitznamen. Alle Gäste des Boxerclubs kennen die beiden Dimitrios als Dimi und Mimi. Sein Schwager Dimi hat sich schon vor einigen Jahren in die griechische Heimat verabschiedet, jetzt will Mimi sich zurückziehen. Dass ihr Restaurant im bewährten Stil weitergeführt wird, haben die Gründer schon vor Jahren in die Wege geleitet: Evangelos Ikonomou, Dimis Sohn und Mimis Neffe, gehört seit vielen Jahren mit zum Team und ist nun der Boss. Es bleibt also alles in der Familie.
Apropos Familie. Sie ist der Grund, warum Mimi und seine Frau Theodora nicht ganz nach Griechenland zurück gehen, sondern »mit einem Bein« in Gießen bleiben. Die erwachsenen Kinder Maria, Ioannis, Eleni und Nektaria sind in Deutschland aufgewachsen und leben in Hessen. Mit ihnen Zeit verbringen zu können, ist Mimi wichtig. Denn ein »normales« Familenleben gab es in der Gastronomie nie. »Wir hatten ja immer geöffnet, auch an den Feiertagen«, erklärt das »Nesthäkchen« Nektaria. Die Familie wohnte nur ein paar hundert Meter entfernt vom Boxerclub, die Mutter stand in der Küche, der Vater hat Gäste bedient, alles drehte sich um das Restaurant. »Aber wir hatten trotzdem eine tolle Kindheit, Mama und Papa hatten zwar nicht viel Zeit, aber sie waren immer für uns da«, erinnert sich die 25-Jährige. Und in den großen Ferien fuhr die Familie immer mit Kind und Kegel für sechs lange Wochen in die alte Heimat, das war allen heilig.
Wenn Mimi an seine Kindheit in Oichalia, einem Dorf in Thessalia zurückdenkt, fällt ihm vor allem die Feldarbeit ein. Die Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft, es war ganz normal, dass die Kinder dort mithalfen. Als junger Mann arbeitete er zunächst in einem Hotel auf Korfu, danach war er auf einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer unterwegs. Und dann kam der Anruf von Dimi, der zu dieser Zeit schon mit Mimis Schwester Evangelia verheiratet war: »Komm nach Gießen, ich habe hier ein Lokal für uns gefunden.«
Das war 1982 und der Anfang der Taverne Syrtaki. Mit den Eigentümern des Restaurants, dem benachbarten Boxerclub, war man sich schnell einig. Mimi und Dimi wollten einen Ort schaffen, an dem sich die Gäste so fühlen wie im Urlaub in Griechenland. Einfache Speisen wie in einer Taverne auf dem Land, Musik, eine legere, familiäre Atmosphäre. Jeder sollte sich willkommen fühlen. Der Plan ging auf, und bis heute ist die Stammgastgemeinde groß.
»Wir sind uns immer treu geblieben, Schickimicki passt nicht zu uns«, sagt Mimi. Er wird künftig viel Zeit in Griechenland verbringen, aber ab und zu wird er Evangelos und sein Team unterstützen. Im Boxerclub heißt es Ti kanis, Yamas, Kalo oreksi und Kalinichta - damals wie heute.