Maßnahmenkatalog für die Gießener Innenstadt vorgelegt

Die beiden Gießener BID-Vereine im Seltersweg und im Marktquartier sehen in der Verkehrswende eine „Chance“, aber nur, wenn sie sorgfältig geplant werde. Andernfalls drohten der Innenstadt „gewaltige Gefahren“.
Gießen – Wer es auf 53 Seiten und hunderte von Erwähnungen im Zeitungsarchiv bringt, muss wichtig sein. Das sind die Gießener BID-Vereine ganz bestimmt. In diesem Jahr feiern zwei ein kleines Jubiläum. Mit den Business Improvement Districts Seltersweg und Marktquartier formierten sich vor 15 Jahren aus Hauseigentümern und Einzelhändlern die ersten beiden Selbsthilfevereine, um der Gießener Innenstadt eine Zukunftsperspektive zu geben. Nun wollen der Seltersweg und das Marktquartier auf Grundlage eines Landesgesetzes in eine vierte, jeweils fünfjährige Laufzeit bis 2026 gehen und haben der Stadt ihre Maßnahmenkataloge und Handlungskonzepte vorgelegt. Die Vereine und damit die nach wie vor vom Einzelhandel geprägte Innenstadt stehen vor »anspruchsvollen Herausforderungen«, heißt es im Maßnahmenkatalog des BID Seltersweg.
Gießener BID-Vereine: Keine Kampfansage an neue Koalition
Da die beiden Laufzeiten vom 1. Januar 2022 bis Ende 2026 reichen und damit nahezu deckungsgleich mit der Wahlperiode des Stadtparlaments sind, müssen sich die BID-Vereine - wieder einmal - auf neue politische Verhältnisse einstellen. Dass sich die neue grün-rot-rote Koalition ausdrücklich und mehrfach zur Zusammenarbeit mit den BID-Vereinen bekannt hat, stimmt den BID-Seltersweg-Vorsitzenden Heinz-Jörg Ebert zuversichtlich, dass das bisherige »konstruktive Miteinander« eine Fortsetzung erfährt.
Der Teufel steckt freilich im politischen Detail, konkret der Ausgestaltung der allenthalben von den Parteien propagierten Verkehrswende. Sie steht beim BID-Seltersweg ganz oben auf der Liste der Veränderungen, die in den nächsten Jahren auf die Innenstadt zukommen. Für die City sei die Verkehrswende eine »Chance«, schreibt Ebert im Vorwort des Maßnahmenkatallogs. Sie berge aber auch »gewaltige Gefahren, wenn sie ohne ausreichende Planung und Berücksichtigung von ungewollten Konsequenzen auf den Weg gebracht wird«, heißt es weiter. Um das zu verhindern, will der BID Seltersweg die »ausgestreckte Hand« der neuen Stadtkoalition ergreifen. In diesem Zusammenhang erläutert der Verein, dass es nie seine Absicht gewesen sei, den Verkehrsversuch am Anlagenring mit separaten Spuren für Bus und Fahrrad gänzlich zu verhindern. Aufbauend auf einer soliden Planung könnten der Versuch und eine »dauerhafte Umsetzung« stattfinden und ein »Chaos« zulasten des Innenstadthandels vermieden werden, erklärt Ebert.
Erreichbarkeit der Gießener Innenstadt müsse gewährleistet bleiben
Nicht so ausführlich zum Thema Verkehr äußert sich der BID Marktquartier, obwohl dessen erster Vorsitzender Thomas Kirchhof den Bürgerantrag des Einzelhandels zur Verkehrspolitik gestellt hatte. Die Erreichbarkeit der Innenstadt müsse gewährleistet bleiben, wozu Verbesserungen der »verschiedenen Fortbewegungsmöglichkeiten« beitragen könnten, heißt es im Handlungskonzept.
Als Etat stehen dem BID Seltersweg aus den Abgaben seiner Mitglieder bis 2026 rund 950 000 Euro zur Verfügung, beim Marktquartier sind es 425 000 Euro, wobei der Verein aus seiner dritten Laufzeit noch eine Viertelmillion Euro übrig hat.
Große Handlungsfelder beim BID Seltersweg sind Marketing und Digitalisierung, zum Thema »Wohnen im Seltersweg« soll es eine spezielle Broschüre und ein Portal mit Wohnungsangeboten geben. Eine weitere Herausforderung wird im Management der beiden Seltersweg-Großbaustellen im oberen (Sting/CCC-Umbau) und im mittleren (P+C-Rückkehr) Teil gesehen.

Stadt Gießen: »Trick-Bettelei« nimmt zu – BID setzt auf Kooperation mit Ordnungsamt und Polizei
Ein Dauerthema bleibt für beide Vereine der Dreiklang aus Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit. Auch die Gießener Fußgängerzone habe mit »Trick-Bettlerschaft«, einer Trinkerszene, randalierenden Punkern und Kriminalität zu tun, heißt es. Diesbezüglich setzt der BID-Verein Seltersweg auf eine Fortsetzung der »gut angelaufenen« Kooperation mit Ordnungsamt und Polizei. Das Marktquartier spricht mit Blick auf diese Erscheinungen dagegen von einer »unbefriedigenden Erfüllung kommunaler und staatlicher Aufgaben«, was die Anziehungskraft des Marktquartiers schmälere. Mit Sonderreinigungen von Fassaden und kleinen Gestaltungsmaßnahmen will der BID-Verein die Situation selbst verbessern.
Chancen für das Quartier sieht der Vorstand unter anderem im Umbau der städtischen Museumshäuser und einer Attraktivitätssteigerung des Wochenmarkts.