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Gießener »Aktionsbündnis Pro Choice«: Drei Fragen an Demo-Organisatorin Heike Spohr

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Von: Karen Werner

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© Werner/Archiv

Ärzte dürfen nicht öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Eine Streichung des entsprechenden Strafgesetzbuch-Paragraf 219a fordert eine Demo in Gießen am Samstag.

Ärzte dürfen nicht öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Das schreibt der Strafgesetzbuch-Paragraf 219a vor. Seine Streichung fordert bei einem bundesweiten Aktionstag ein breites Bündnis »Pro Choice« (für Wahlfreiheit) am kommenden Samstag. Die Gießener Demonstration beginnt um fünf vor zwölf auf dem Elefantenklo. Heike Spohr gehört zu den Organisatorinnen.

Frau Spohr, was wollen Sie erreichen mit dem Aktionstag gegen das »Werbeverbot« für Abtreibungen?

Heike Spohr: Wir wollen erreichen, dass der Bundestag im Februar die Entscheidung trifft, den Strafgesetzbuchparagrafen 219a ersatzlos zu streichen – auf welchem formalen Weg auch immer. Uns geht es nicht um den Gesetzentwurf, den CDU und SPD angekündigt haben. Nach allem, was wir bisher gehört haben, lässt der Entwurf nach wie vor die Instrumentalisierung des 219a zur Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten zu, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Das schreckt Mediziner und Medizinerinnen ab, diese ärztliche Versorgungsleistung anzubieten, sodass es keine flächendeckende Versorgung mehr gibt.

Sie sind im Dezember spontan öffentlich aktiv geworden. Was ist Ihre Motivation?

Heike Spohr: Mein persönlicher Beweggrund ist: Noch 2017 hatte die SPD-Bundestagsfraktion einen Gesetzesentwurf beschlossen, der die Abschaffung des 219a vorsieht. Dieser wurde aus koalitionstechnischen Gründen 2018 jedoch zurückgezogen. Zusammen mit den Grünen, Linke und FDP könnte die SPD eine klare Mehrheit herstellen. Stattdessen unterstützt sie einen faulen Kompromiss mit der CDU/CSU. Es kann nicht sein, dass wir so verarscht werden. Frauenrechte werden zur parteipolitischen Verhandlungsmasse gemacht. Das dürfen wir nicht zulassen. Ich bin überzeugt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Abschaffung des Paragrafen befürwortet. Meine übergeordnete Motivation: Ich bin beruflich auch international unterwegs und erlebe in vielen Ländern einen Rechtsruck. Dabei werden immer die Rechte von Frauen und Minderheiten als Erstes beschnitten. Das macht mir große Sorgen, auch bei uns. Wir müssen jetzt ein Zeichen setzen.

Das Gießener »Aktionsbündnis Pro Choice« ist nach der von Ihnen initiierten Kundgebung im Dezember entstanden. Wer engagiert sich dort?

Heike Spohr: Zum ersten Treffen sind ungefähr 20 Leute gekommen, weitere hatten sich in die Liste der Interessierten eingetragen. Eine Mehrheit sind Frauen, aber es sind auch Männer engagiert, das ist super. Neben Einzelpersonen wie mir sind viele dabei, die Organisationen hinter sich wissen. Bisher sind diese Gruppen vertreten: Alarm gegen Sexkauf, Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Uni-Asta, Büro für Frauen und Gleichberechtigung, Evangelischer Dekanatsfrauenausschuss, Feministische Aktion, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Humanistischer Verband, Omas gegen rechts. Weitere werden sich noch anschließen. Kontakt aufnehmen können Interessierte über Facebook, per E-Mail an es_reicht_weg_mit_219a@web.de oder persönlich am Samstag.

Info

Kurzbiografie

Aus Empörung über den »Kompromiss«-Vorschlag der großen Koalition hat Heike Spohr im Dezember Kundgebungen gegen das »Werbeverbot« für Abtreibungen initiiert – als Privatperson. Sie war damals in keiner Gruppierung aktiv und lernte die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die vor anderthalb Jahren die Kampagne gegen den Paragrafen 219a begonnen hat, erst bei »ihrer« Demonstration vor dem Gießener Rathaus persönlich kennen. Die 56-Jährige lebt mit Mann und Sohn in einer Kreisgemeinde und arbeitet als Mediatorin, Beraterin und Gutachterin.

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