1. Gießener Allgemeine
  2. Gießen

Steuerhinterziehung in Millionenhöhe: Es geht um Zigaretten und Wodka

Erstellt:

Von: Kays Al-Khanak

Kommentare

khn_Warnhinweise_beim_Ve_4c
Im großen Stil sollen die Angeklagten Zigaretten geschmuggelt haben. SYMBOL © DPA Deutsche Presseagentur

Vor dem Landgericht Gießen müssen sich sechs Männer verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, durch Schmuggel Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben.

Gießen – Jeder weiß, dass Zigaretten ungesund sind, Alkohol sowieso. Aber der Markt für diese Rauschwaren ist vorhanden und wird bedient. Wo es einen solchen Markt gibt, da tummeln sich auch schwarze Schafe, die noch mehr Kasse machen wollen. Dies jedenfalls wirft die Staatsanwaltschaft Gießen sechs Männern im Alter von 42 bis 74 Jahren vor. Sie sollen als Bande Tabakwaren und Branntwein geschmuggelt und dabei Steuern in Höhe von über 7 Millionen Euro hinterzogen haben. Nun wurde am gestrigen Donnerstag das Verfahren gegen sie vor der zweiten Strafkammer am Landgericht Gießen im externen Sitzungssaal am Stolzenmorgen eröffnet.

Zweimal war der Auftakt kurzfristig ausgefallen. Auch am Donnerstag ist einer der Angeklagten nicht anwesend, als der Vorsitzende Richter Jost Holtzmann das Verfahren in gewohnt ruhiger Art eröffnen will. Doch der 69-Jährige hat einen Grund, nicht auf der Anklagebank zu sitzen: Der Prozesstermin war wegen der ausgefallenen Sitzungen kurzfristig anberaumt worden, und der Mann hatte einen länger geplanten Urlaub angetreten. Der Prozess gegen die nicht in Haft befindlichen Männer wurde dennoch eröffnet: mit der Anklageverlesung nur eines Tatkomplexes.

Gießen: Staatsanwalt spricht bei Steuerhinterziehung von „professionellem Vorgehen“

Die Angeklagten sind Deutsche oder haben osteuropäische Staatsbürgerschaften. Zusammen mit zwei gesondert verfolgten Männern, einem Deutschen und einem Niederländer, sollen sie zwischen März 2013 und März 2014 sechsmal Branntwein und Tabak geschmuggelt haben. Nach Ansicht von Staatsanwalt Matthias Rauch ist dies aber nur die Spitze des Eisbergs. Fünf Taten hängen mit dem ersten Tatkomplex zusammen, der nun Thema war. Es geht um hinterzogene Tabaksteuern in Höhe von knapp 7 Millionen Euro – in vier vollendeten Taten und einem Versuch.

Die Angeklagten sind laut Staatsanwalt Rauch professionell vorgegangen, um mit Hilfe diverser Verschleierungstaktiken den deutschen Fiskus zu umgehen. Der gesondert verfolgte Deutsche hatte im Tatzeitraum einen Warenhandel aufgebaut. Er soll für die Vereinbarung der Geschäfte, die Preisgestaltung und Akquise zuständig gewesen sein. Für die vorbereitenden und administrativen Arbeiten, für Transportfahrten oder die Einfuhr von steuerpflichtigen Waren nach Deutschland habe er Unterstützer gesucht – und sie in den sechs Angeklagten sowie in dem Niederländer gefunden. Alle, sagt Rauch, hätten gewusst, dass ihr Vorhaben illegal ist.

Prozess in Gießen: 10 Millionen Zigaretten pro Tat

Bei ihren Taten nutzten sie das Steueraussetzungsverfahren EMCS, das den Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union erleichtern soll. So können verbrauchsteuerpflichtige Waren wie Alkohol oder Zigaretten steuerfrei durch die EU-Mitgliedsstaaten transportiert werden; die Steuer wird erst im Zielland, dem Land des Verbrauchs der Waren, fällig. Der Versender muss den Behörden im Rahmen eines elektronischen Verfahrens ein Dokument (e-VD) mit korrekten Angaben über die Waren, den Verkäufer und Käufer sowie die eingesetzten Transportmittel übermitteln.

Die Taten liefen immer ähnlich ab. Der gesondert verfolgte Deutsche soll in der Regel in Italien, aber auch einmal in Estland, jeweils über 60.000 Stangen, also über 10 Millionen Zigaretten, erworben haben. Als Käufer dieser großen Menge an Tabak hätten die Angeklagten eine in Dubai ansässige Firma angegeben, die aber nicht existiert haben soll. Um die Waren angeblich nach Russland zu transportieren, habe ein Angeklagter diese für das EMCS-Verfahren angemeldet. Dazu sollen die Männer als Zielfirmen existierende Unternehmen angegeben haben – die in das Geschäft aber nie involviert gewesen seien.

Prozess in Gießen: Über 8000 Liter Wodka aus Niederlande nach Deutschland

In die im Dokument gemeldeten Zielländer seien die Zigaretten nicht gebracht worden, sagt Rauch, sondern zuerst in eine vom Niederländer in dessen Heimat angemieteten Halle und anschließend ins deutsche Grenzgebiet. Einmal ging das schief, weil die niederländischen Behörden die geschmuggelten Waren entdeckt hatten und die Zigaretten vernichteten.

Aufgeflogen sind die Angeklagten und die anderen beiden Männer aber nicht bei dieser Kontrolle. Erst im Rahmen einer Telefonüberwachung, die Ermittlungsbehörden wegen des Verdachtes des Betäubungsmittelhandels in größerem Umfang angeordnet hatten, konnte der Schmuggel aufgedeckt werden.

Im zweiten Tatkomplex wird den Angeklagten vorgeworfen, über 8000 Liter Wodka aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführt zu haben. Die Paletten sollen hinter einer Reihe von Paletten mit Plastikbesteck versteckt worden sein. Schaden: über 44.000 Euro Branntweinsteuer. (Kays Al-Khanak)

Illegale Glücksspielautomaten in der Gaststätten-Küche in Gießen fanden Ermittler bei einer großangelegten Kontrolle.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion