Verkehr in Gießen: Stadtpolitik debattiert über mehr Parkmöglichkeiten
In Gießen darf die Karstadt-Filiale bleiben, doch wie sieht es mit der Erreichbarkeit der Innenstadt aus? Die Stadtpolitik debattiert.
Gießen - Montagnachmittag in der Gießener Innenstadt: Die erfreuliche Nachricht vom Erhalt der Karstadt-Filiale ist keine Stunde alt, da kehrt der Alltag in die Fußgängerzone zurück. Am Marktplatz geraten sich einige Punker in die Haare, es wird gebrüllt und gerangelt, eingeschüchterte Passanten machen einen Bogen um die Szenerie. Uniformierte, die das - laut städtischer Gefahrenabwehrverordnung - grob störende Verhalten ahnden könnten, sind nicht zu sehen.
Vielleicht meinte CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus Peter Möller auch diese Randgruppe, als er am Dienstagabend im Stadtentwicklungsausschuss des Stadtparlaments von komischen Figuren sprach, die vom Besuch der Fußgängerzone abschreckten.
Schrecken Punker in Gießen von Besuch der Fußgängerzone ab?

In der Sitzung ging es um ein achtseitiges Strategiepapier, das Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) dem Ausschuss als Antwort auf einen fast schon ein Jahr alten Berichtsantrag der CDU vorgelegt hatte. Ziel des Maßnahmenpakets ist eine starke und resiliente Innenstadt. Diese sei zwar im Wandel begriffen, aber der Einzelhandel werde ein bedeutender Faktor bleiben, heißt es in dem Strategiepapier.
Gießen: Kein Satz zur Erreichbarkeit der Innenstadt
Die Diskussion drehte sich aber weniger um das, was in dem Becher-Bericht steht, sondern um das, was von der Opposition vermisst wurde. Aussagen zu Sicherheit und Sauberkeit, zum Stadtverkehr und zur Positionierung der Stadt im Rahmen einer Marketingkampagne suche man vergebens, stellte Kathrin Schmidt fest. Da steht kein einziger Satz zur Erreichbarkeit der Innenstadt und zum Verkehrsversuch drin, monierte die CDU-Stadtverordnete. Auch von der FDP kam Kritik. Bechers Papier sei nicht der ganz große Wurf und komme über gute Ansätze nicht hinaus, sagte Manuela Giorgis.
Richtig Fahrt nahm die Debatte auf, als Giorgis das Thema Parkgebühren ansprach und ironisch eine Willkommenskultur« für Autofahrer einforderte. Es entsteht der Eindruck, dass Menschen, die mit dem Auto nach Gießen kommen, unerwünscht sind, sagte Giorgis und verwies auf zahlreiche kritische Kommentare in den sozialen Medien.
OB Becher: Große Zahl an Parkplätzen in Gießen
Becher reagierte auf diese Aussagen ungewohnt sarkastisch. Man muss es nur immer weiter erzählen, dass man in Gießen nicht parken kann, dann passiert es auch, warnte der OB davor, die Verhältnisse schlechter zu reden als sie sind. Wir verfügen, klug verteilt am Anlagenring, über eine große Zahl an Parkhäusern. Den Zugang zur Innenstadt stellen wir nicht in Frage, betonte der Rathauschef.
Bürgermeister und Ordnungsdezernent Alexander Wright (Grüne) unterfütterte diese Aussagen mit Zahlen. Allein in den Parkhäusern stünden 4500 Parkplätze zur Verfügung, zähle man öffentliche Parkflächen wie den Messeplatz hinzu, seien es 6000 innenstadtnahe Parkplätze.
Gießen: Bei Auslastung von Parkplätzen noch Luft nach oben
Vor dem Hintergrund, dass bei der Auslastung der Parkhäuser noch Luft nach oben sei, befinde man sich in Gesprächen mit den Betreibern, um die Attraktivität zu erhöhen. Beim Karstadt-Parkhaus wäre eine Nachtöffnung wünschenswert.
Zum Verkehrsversuch am Anlagenring, der im Juni starten soll, kündigte Wright eine breite Informationskampagne und eine klare Verkehrsführung an, damit es für die Autofahrer sehr einfach wird, ihr Ziel zu finden. Nach den Ausführungen Wrights forderte Giorgis den Magistrat auf, die Fakten bekannter zu machen, bevor sich Blasen bilden.
Zum Thema Leerstände und sinkender Anziehungskraft (Zentralität) kamen einordnende Aussagen vom Magistrat und der Verwaltung. Planungsamtsleiter Dr. Holger Hölscher sieht darin kein Gießener Spezifikum:
Die Zentralität der Geschäftszentren nimmt generell ab, das war schon vor Corona so.
Trend: Rückgang des Einzelhandels in Gießen
Ein allgemeiner Trend sei auch der Rückgang des Einzelhandels, an dessen Stelle zum Beispiel gastronomische Angebote träten. Hölscher bestätigte zwar die Beobachtung von CDU-Fraktionschef Möller, was die für die Gießener Fußgängerzone ungewohnt hohe Anzahl und ungewohnt lange Dauer von Leerständen betrifft, gab aber zu: Wir haben erwartet, dass es nach Corona noch schlechter sein wird.
Während Stadtmarketing-Chef Frank Höllscheidt den Einfluss des Onlinehandels erwähnte, verwies OB Becher zum Thema Vermüllung auf eine aktuelle Studie, nach der Städte derzeit weltweit im Verpackungsmüll erstickten.
Bei so viel Problembeschreibung mochte der OB den Lichtblick der Woche nicht unerwähnt lassen. Für Becher ist der Erhalt von Karstadt ein Beleg, dass Gießen nach wie vor ein starker Einkaufsstandort ist. In aller Bescheidenheit fügte der SPD-Politiker hinzu, dass diese Gießener Stärken im Vorfeld der Entscheidung von uns an allen Stellen kommuniziert wurden. (Burkhard Möller)