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Sprengungen, Betrug, Einbrüche: Junge Serientäter kommen vor Gericht glimpflich davon

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Neun gesprengte Automaten, sechsfacher Tankbetrug, drei Einbrüche. Es ist eine beeindruckende Serie an Straftaten, wegen der drei junge Männer vor dem Jugendschöffengericht in Gießen stehen.

Gießen - »Ach du Sch...!« entfährt es einem jungen Mann, als er einen der Angeklagten den Saal im Amtsgericht in Handschellen betreten sieht. Die Insignien staatlicher Macht machten wohl mächtig Eindruck auf einige der zahlreichen jungen Leute, die am Mittwoch (31. August) im Jugendschöffengericht in Gießen zugegen waren: Zwei der drei Angeklagten sind in ihrem Alter oder noch ein wenig jünger, Jahrgang 2002 und 2003.

Die Liste der Straftaten ist lang, die dem 19 Jahre alten Hauptangeklagten vorgehalten wird. Einbruch, schwere Sachbeschädigung, Diebstahl, Betrug, Urkundenfälschung, Herbeiführen einer Explosion, Besitz von Sprengstoff, einer Waffe und von Drogen, gefährliches Verhalten im Straßenverkehr, Hausfriedensbruch…

Konkret wird dem jungen Mann aus einer Gemeinde im Kreis Gießen vorgeworfen, binnen sechs Wochen zwischen November 2021 und Anfang Januar 2022 neun Zigarettenautomaten respektive Parkschein- und Verpflegungsautomaten unter anderem in Linden, Langgöns, Rosbach und Bad Nauheim gesprengt zu haben. Gleich sechsmal tankte er an unterschiedlichen Tankstellen in der Wetterau seinen BMW voll und fuhr davon, ohne zu bezahlen. In vier Fällen hatte er einfach die Kennzeichen abgeschraubt, zweimal benutzte er geklaute Nummernschilder.

Hinzu kommen zwei Einbrüche in Corona-Testzentren in Wetzlar, wo er Tests, Blanko-Vordrucke für Testbescheinigungen, einen Laptop und einen Stempel mitgehen ließ. Die Tests versuchte er (erfolglos) zu verkaufen. Nicht zuletzt auf der Liste: Der Einbruch in ein Gartenhaus, das dabei beschädigt wurde.

Automatensprenger-Prozess in Gießen: Gut 20 Minuten für die Anklageschrift

Der junge Mann saß seit Mitte Januar in Butzbach in Untersuchungshaft und zeigte sich vor dem Gericht unter Vorsitz von Heiko Kriewald vollumfänglich geständig. Ebenso die beiden anderen Angeklagten, ein 19-Jähriger und ein 30 Jahre alter Mann.

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Der Anfang Januar in Linden gesprengte Zigarettenautomat. ARCHIV © pv

Mehr als 20 Minuten brauchte Staatsanwältin Mareen Fischer, um die Anklageschrift zu verlesen, wobei der Hauptangeklagte das Gros der Taten auf sich nahm. Der andere junge Mann war wohl nur bei den Einbrüchen in ein Testcenter und das Gartenhäuschen beteiligt; der 30-Jährige bei der Sprengung eines Zigarettenautomaten.

Das Vorgehen: Mit hierzulande verbotenen Feuerwerkskörpern aus Osteuropa mit starker Explosionskraft wurden die Automaten geknackt, Kippen und Bargeld entnommen. An den Weihnachtstagen 2021 wurde der Angeklagte in seinem BMW Touring von einer Polizeistreife kontrolliert. Im Auto wurden geringe Mengen Drogen gefunden, ein Elektroschocker und die Böller. Die Beamten ließen ihn jedoch laufen. Wenige Tage später freilich, nach dem Sprengen eines Automaten in Linden, raste der Mann mit überhöhter Geschwindigkeit davon und ließ sich auch nicht von einer Polizeisperre stoppen.

Automaten-Sprengungen im Raum Gießen: Wenige Tausend Euro erbeutet

Die Beute war vergleichsweise gering, in Summe wenige Tausend Euro. Das Tatmotiv: Auf einfache Weise schnelles Geld zu machen. Der Sachschaden ist beträchtlich, dürfte nach Schätzung von Richter Kriewald mehrere Zehntausend Euro betragen. Allein ein gesprengter Zigarettenautomat wird mit etwa 2500 Euro in Rechnung gestellt. Parkscheinautomaten kommen wohl teurer. Mit Schadensersatzforderungen wird sich der Täter wohl noch Jahre auseinandersetzen können.

»Sie haben in wenigen Wochen erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt«, so die Staatsanwältin. Das seien nicht nur banale jugendtypische Verfehlungen gewesen, sondern Straftaten. Wäre er älter, dann würde er von einer großen Strafkammer landen, zeigte Fischer die Dimension der Taten auf. Eine Einschätzung, der das Gericht folgte und der die drei Verteidiger nicht widersprachen.

Nach Serie an Straftaten: Gießener Richter sieht Jugendstrafrecht als „angemessen“ an

Die Anwendung von Jugendstrafrecht nannte der Richter »angemessen«, denn der Hauptangeklagte und sein fast gleichaltriger Freund seien noch nicht erwachsen.

Der Hauptangeklagte wurde zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, muss 600 Euro an den Besitzer der Gartenhütte zahlen. Sein Führerschein ist für zwölf Monate weg, der BMW ist eingezogen. Zudem wird er eine Weile eine elektronische Fußfessel tragen. Die Haftstrafe ist für sechs Monate zur Vorbewährung ausgesetzt, erst dann wird separat über die Bewährung befunden. Sein fast gleichaltriger Kumpel kam überaus milde davon: Er wurde lediglich verwarnt und muss ebenfalls 600 Euro an den Gartenhausbesitzer zahlen. Die beiden akzeptierten ihr Urteil umgehend. Beide entschuldigten sich für ihre Taten, gelobten Änderung.

Nicht ganz so leicht ist es bei dem 30-Jährigen. Er wurde zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt, denn er hat bereits wegen diverser Delikte mehrfach vor Gericht gestanden, hat »Hafterfahrung« und jetzt wieder gegen seine Bewährung verstoßen. »Wo soll da Hoffnung herkommen? seufzte der Richter. Der Mann kann in Berufung gehen. (Rüdiger Soßdorf)

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