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Im Stelzenschritt übers Glatteis: Ungewöhnlich viele Patienten in der Uniklinik

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Von: Burkhard Möller

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In der Fußgängerzone wird arbeitsteilig gestreut. Die Läden sind für einen 1,50 Meter Streifen vorm Geschäft zuständig, die Stadtreinigung für die Mitte. © Oliver Schepp

Das Chaos auf Gießens Straßen ist am gestrigen Montag ausgeblieben. Wegen des Glatteises kam es aber zu schweren Stürzen und Unfällen. So mussten ungewöhnlich viele Patienten in der Unfallchirurgie des Gießener Uniklinikums behandelt werden.

Gießen – Die Arme leicht zu den Seiten ausgestreckt und dann vorsichtig im Stelzengang über den Gehweg oder die Straße: am Montagmorgen haben viele Gießener versucht, auf diese Weise trotz des Glatteises unbeschadet unterwegs zu sein. Vor allem in den Nebenstraßen, aber auch auf dem Seltersweg rutschten Fußgänger reihenweise aus, die Unfallchirurgie des Uniklinikums Gießen-Marburg (UKG) hatte bis in die Abendstunden alle Hände voll zu tun mit der Behandlung von Verletzten. Auch kam es im Stadtgebiet zu einigen Verkehrsunfällen - beispielsweise in Lützellinden, wo ein Lastwagen auf spiegelglatter Fahrbahn in die Hecke des Freibads rutschte. Im öffentlichen Personennahverkehr in der Stadt sei es »dank des hervorragenden Winterdienstes« zu keinen glättebedingten Ausfällen gekommen, teilt Matthias Acker von den Stadtwerken auf Anfrage mit.

Zahlreiche Verletzte im Uniklinikum

Tatsächlich waren die Hauptverkehrsadern und die wichtigen Nebenstraßen, die wie einige Plätze in die Räumpflicht des städtischen Reinigungsamts fallen, eisfrei, als der Berufsverkehr anlief. Viele Gehwege waren dagegen bis in die Mittagsstunden noch glatt, weil sich offenbar die räumpflichtigen Anwohner angesichts der Warnungen nicht vor die Tür trauten. Außerdem setzte nach 10 Uhr neuer Regen ein, der auf dem immer noch kalten Boden gefror.

Wie Stadtsprecherin Claudia Boje mitteilt, waren 93 Mitarbeiter seit dem frühen Montagmorgen ab 2.30 Uhr mit 32 Fahrzeugen sowie »Handkolonnen« im Einsatz. Das Glatteis habe den Winterdienst vor große Herausforderungen gestellt, da bereits gestreute Bereiche durch den am späten Vormittag einsetzenden Regen wieder vereist seien. Priorität beim Räumen haben laut Boje Busrouten, Fußgängerüberwege, Gehwege, Hauptverkehrsstraßen und die Zufahrten zu den Krankenhäusern. Wo und mit welcher Priorität geräumt und gestreut werde, werde anhand verschiedener Kriterien vorab bestimmt. Das Ergebnis münde dann in einen Tourenplan. Boje: »Bei entsprechender Witterung führen unsere Einsatzleiter nachts Kontrollfahrten durch und alarmieren dann bei Bedarf die in Rufbereitschaft befindlichen Kollegen. So war es auch gestern Nacht.« In einzelnen Nebenstraßen seien aus Sicherheitsgründen keine Mülleimer geleert worden. Die Leerung werde kurzfristig nachgeholt.

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Wer am Montagmorgen in Gießen unterwegs ist, muss vorsichtig sein: Straßen und Gehwege sind spiegelglatt. © Marc Schäfer

Von einem »extrem hohen Patientenaufkommen« berichtet am Montagabend Prof. Christian Heiß, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am UKGM. Die Rettungswagen mit Verletzten hätten zum Teil in einer Schlange vor der Klinik gestanden und gewartet, die Patienten einzuliefern. Es seien vor allem Prellungen oder Brüche, die die Mediziner hätten behandeln müssen. Viele seien beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit gestürzt - oder als sie schauen wollten, wie glatt es draußen war. Lebensgefährlich sei zwar niemand verletzt worden, sagt Heiß, aber gerade ältere Menschen seien auffallend häufig mit Kopfverletzungen nach einem Sturz eingeliefert worden. »Wir sind noch immer dabei, die Fälle abzuarbeiten«, sagt Heiß am Abend.

Bereits am Sonntagabend hatten die Gießener Schulen Eltern und Schüler per IServ über die ausgesetzte Präsenzpflicht informiert. Zuvor hatten sich das Staatliche Schulamt sowie die Schulträger für Kreis und Stadt auf diesen Schritt verständigt: Falls wegen des Glatteises kein sicherer Weg zur Schule möglich sei, könnten Schüler zu Hause bleiben, teilte Schulamtsleiter Norbert Kissel mit. In den Schulen gab es eine Notbetreuung - auch im Ganztag. Am Montagmorgen verzichteten nicht wenige Eltern darauf, ihre Kinder in die Schule zu bringen oder zu schicken. In der Kleebachschule in Allendorf zum Beispiel waren einige Klassen höchstens zur Hälfte besetzt. Für die Daheimgebliebenen verschickten die Lehrer per IServ Aufgaben.

Auch im Seltersweg besserte sich die Lage erst um kurz vor 11 Uhr, nachdem Mitarbeiter der Stadt sowohl händisch wie auch mit einem Winterdienst-Fahrzeug großzügig Streusalz ausbrachten. Dann wurde aus der Schlitterpartie ein halbwegs sicherer Einkaufsbummel. Die Stadt ist indes nur für das Streuen des mittleren Bereiches des Seltersweg zuständig, erklärt Markus Pfeffer, der Geschäftsführer des BID Seltersweg. »Ansonsten haben die Hauseigentümer die Verpflichtung, einen Streifen vor ihrem Gebäude zu streuen.«

Eine Unfallbilanz für die Region gibt es auf Seite 27.

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