Gießen: Fridays for Future organisiert Fahrraddemo – Hunderte radeln fürs Klima über die Autobahn

Zum siebten globalen Klimastreik hatte das Bündnis Fridays for Future für Freitag aufgerufen. Auch in Gießen versammelten sich Hunderte zu einer Raddemo.
Gießen – Aus Wetzlar kamen sie, aus Friedberg, aus Bad Nauheim oder aus Butzbach. Hunderte Radfahrer, die dem Aufruf des Bündnisses Fridays for Future zum globalen Klimastreik gefolgt waren und sich am Freitag in Gießen zu einer Raddemo getroffen haben.
Ab 12 Uhr versammelten sich die ersten, überwiegend jungen Aktivisten auf dem Berliner Platz, neben Fridays for Future auch andere Gruppen wie die Omas gegen Rechts, Verkehrswende Gießen oder Amnesty International mit der Aufschrift auf einem Banner: »Klimaschutz ist Menschenschutz«. Zur Startkundgebung monierte ein junger Redner, dass der öffentliche Raum noch zu sehr von Privilegierten und Reichen in Anspruch genommen werde, die Stadt sei für alle da - womit er zudem auf die gleichnamige neue Gießener Instagram-Seite »Stadt für alle« verwies.
Fahrraddemo in Gießen: 750 Teilnehmer waren unterwegs
Doch die Raddemo war nicht dazu gedacht, lange Reden zu schwingen. Es ging darum, mit dem Fahren an sich ein Zeichen zu setzen, als Radfahrer mehr Raum im Verkehr beanspruchen. Waren es zu Beginn des Zugs rund 400 Teilnehmer, summierte sich die Zahl am Ende der Frankfurter Straße mit den Ankommenden aus den anderen Städten auf gut 750, so die Zählung der Polizei Mittelhessen.
Euphorie machte sich schnell breit angesichts der Menge an Teilnehmenden, laute Musik war überall zu hören, die Klimaaktivisten jubelten sich zu. Gleichzeitig blieb alles coronakonform, niemand war ohne Maske zu sehen. »Die unmoralische Ausbeutung der Erde muss aufhören. Wir brauchen eine nachhaltige, selbstverwaltete Wirtschaft«, betonte eine Rednerin energisch, bevor der Zug auf die gesperrte B49 fuhr. Viele Autofahrer auf der Gegenfahrbahn guckten verdutzt und ungläubig, als sie Hunderte Radfahrer auf der Autobahn sahen.
Reaktionen zur Fahrraddemo in Gießen: Freundliches Hupen und pöbelnde Beschimpfungen
Fridays for Future Gießen und die anderen Gruppen wollten bewusst den Ring in einer Richtung lahmlegen, um auf die Diskrepanz zwischen dem wenig ausgebauten Radwegenetz und Autobahnen aufmerksam zu machen.
Und medienwirksam war das allemal. Einige Beifahrer in den vorbeifahrenden Autos zückten ihre Handys, viele hupten, winkten und lächelten, darunter auch einige Lkw-Fahrer oder Spaziergänger auf Brücken. Jedoch offenbarten sich auch Antipathien gegen die Klimabewegung. Ein Lkw-Fahrer zeigte der Masse einen Vogel, ein anderer Autofahrer pöbelte etwas Unverständliches aus dem Fenster, als er vorbeifuhr.
Fahrraddemo führte von Gießen aus acht Kilometer über die Autobahn
Der Demozug weitete sich auf der Autobahn aus und erstreckte sich schließlich über rund zwei Kilometer, weswegen die Polizei am Umspannwerk stoppte, damit der hintere Teil der Radler aufschließen konnte. Insgesamt acht Kilometer radelten sie über die B429 und A480 bis zum Nordkreuz an der Marburger Straße, wo der Tross abfuhr. Neben der Polizei waren auch drei Mitarbeiter der Versammlungsbehörde auf Diensträdern dabei. Natürlich sorgte die Raddemo für reichliche Verkehrsbehinderungen auf dem betroffenen Abschnitten des Gießener Rings sowie innerstädtisch für Rückstau in der Frankfurter Straße. Bei der Abschlusskundgebung am Messeplatz waren es laut Polizei noch 400 Teilnehmer.
»Wir erhoffen uns durch die Demo wieder mehr Aufmerksamkeit für den Klimaschutz und dass endlich was passiert. Versprechen gibt es genug, Maßnahmen aber nicht«, betont Junis Poos vom Gießener Bündnis. Durch den starken Zuwachs der Grünen sowie den erfolgreichen Start der neuen Klimaschutzpartei Gigg (Gießen gemeinsam gestalten) fühlt sich Fridays for Future nur indirekt bestärkt. »Wir sind ja überparteilich, aber hier kann man sehen, dass in der Öffentlichkeit ein Umdenken stattfindet.«
Große Ziele von Fridays for Future Gießen: Bisherige Maßnahmen nicht genug
Das große Ziel für Gießen sei die Klimaneutralität 2035. Wie erreicht man die? Mit mehr Radstraßen, einem wesentlich besser ausgebauten Nahverkehr und Grünstrom zum Beispiel. Der Verkehrsversuch am Anlagenring sei zwar ein Riesenschritt. »Aber das bedeutet längst nicht, dass Gießen eine Radstadt ist«, sagt Poos weiter.
In über 50 Ländern auf der Welt fanden am Freitag Aktionen für mehr Klimaschutz statt, allein in Deutschland waren es über 200 Veranstaltungen.