Ausnahmezustand wegen Eichenprozessionsspinner in Gießener Osten - Anwohner kämpfen um Gehör

Der Eichenprozessionsspinner hat das Anneröder Viertel fest im Griff. Nachdem am Montag einige Anwohner mit ihren Beschwerden beim Kreis- Gesundheitsamt vorstellig geworden sind, hat Dezernent Hans-Peter Stock eine Gesundheitsgefährdung festgestellt und die Stadt aufgefordert, die Bekämpfung der Raupen zu verstärken.
Wegen des starken Befalls der Anneröder Siedlung mit dem Eichenprozessionsspinner hat Kreis-Gesundheitsdezernent Hans-Peter Stock am Dienstag eine »Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung« festgestellt. »Das Gesundheitsamt fordert die Stadt auf, die Bekämpfung der Raupen im betroffenen Gebiet zu verstärken«, heißt es vom Landkreis. Bei der Stadt kam diese Aufforderung offenbar nicht gut an. »Das finde ich schon etwas merkwürdig«, sagte die für Gartenamt und Liegenschaftsamt zuständige Dezernentin Gerda Weigel-Greilich, denn: »wir tun alles, was wir können, um die Situation in den Griff zu bekommen. Firmen sind beauftragt, wir arbeiten alles ab.«
90 Prozent der Anwohner betroffen
Am Freitag war der starke Befall des Anneröder Viertels mit dem Eichenprozessionsspinner zum ersten Mal von Anwohnern öffentlich gemacht worden, nachdem sie über erhebliche Beschwerden geklagt hatten. Am Montag organisierte eine Gruppe von Bewohnern einen gemeinsamen Gang zum Kreisgesundheitsamts, um ihre Beschwerden dort dokumentieren zu lassen und auf die Missstände aufmerksam zu machen. Die im Eichendorffring ansässige Allgemeinmedizinerin Dr. Bettina Prell kann die Aufregung gut verstehen. »Wir hatten in den vergangenen drei Wochen etwa 70 Patienten mit Symptomen, die auf den Eichenprozessionsspinner zurückzuführen sind. Ich gehe davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Anwohner betroffen sind«. Es handelt sich dabei oft um stark juckende Hautausschläge, Atemnot, geschwollene Augen oder Asthmabeschwerden. Dies treffe selbst auf Angestellte ihrer Praxis zu. »Wir haben Kinder behandelt, die Nächte lang geweint haben«, sagt die Ärztin. Sie habe die Vermutung, dass die Tragweite des Befalls bei der Stadt nicht durchgedrungen sei. »Es handelt sich schon um einen Ausnahmezustand. Wir hoffen sehr, dass sich die Stadt nun des Problems richtig annimmt.«
Kritik an Fachabteilungen
Laut Stock stünden Gesundheitsamt und Stadt wegen der Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners in engem Kontakt. Die Stadt wisse um die Dringlichkeit und habe bereits umfassende Schritte zur Beseitigung der Raupen eingeleitet, bestätigt Stock auch die Aussage von Weigel-Greilich. Er habe die Stadt zudem darauf hingewiesen, alle Ressourcen auszuschöpfen und für die Beseitigung von Nestern weitere Fachfirmen einzusetzen. Stock unterstreicht: »Das Gesundheitsamt hat eine Reihe von allergisch bedingten Haut-Reaktionen bei Anwohnern festgestellt.« Der für das städtische Ordnungsamt zuständige Bürgermeister Peter Neidel erklärte: »Wenn es das Ausmaß erfordert, müssen wir überlegen, wie wir im Rathaus Kräfte bündeln können.« Für das Absaugen sind je nach Fundort Liegenschaftsund Gartenamt zuständig, das von Neidel geleitete Ordnungsamt wird nur aktiv, wenn Nester auf Privatgelände gefunden werden.
Die Anwohner kämpfen weiter um Gehör. Für Freitag, 5. Juli, um 19 Uhr haben sie im Gemeindesaal der Andreasgemeinde (Eichendorffring 127a) eine Info-Veranstaltung organisiert, bei der auch Ärztin Prell sprechen wird. In einer Info-Mail sprechen die Anwohner untereinander von »Hunderten Nester im Viertel und über 1000 im angrenzenden Wald«. Sie fordern, dass »die Stadt ihrer Fürsorgepflicht nachkommt«. Bisher hätten die Fachabteilungen »sehr verhalten« reagiert, obwohl die Gefahr bestünde, dass die nächste Population der Spinner um ein Vielfaches größer sei, wenn man sie nicht bekämpfe. »Der Befall ist im Moment überall sehr groß - mitnichten nur in der Stadt«, bestätigt Weigel-Greilich.