Grundstückspreise „gehen durch die Decke“: Wie teuer der Immobilienmarkt in Gießen ist

Auch 2021 sind die Preise auf dem Gießener Immobilienmarkt gestiegen. Die Entwicklungen für unbebaute Grundstücke gehen „durch die Decke“. Ein Überblick.
Gießen – Die Anwohner im Gießener Osten erkannten das Einfamilienhaus aus ihrer Wohnstraße wieder, das im Internet von privat an privat zum Kauf angeboten wurde. Der Preis für das nicht gerade große Siedlungshaus mit Garten aus den 1950er Jahren indes sorgte für Stirnrunzeln bei den Nachbarn: 660.000 Euro sollte es kosten. Lange stand das Angebot nicht im Netz; das Haus war schnell verkauft.
Immobilien in Gießen: Verkaufspreise erreichen Rekordniveau
Dass solche Preise in einigen Gegenden Gießens mittlerweile völlig normal sind, zeigt der aktuelle Grundstücksmarktbericht für 2021, den Horst-Friedhelm Skib, der Vorsitzende des Gutachterausschusses für Immobilienwerte für den Bereich der Stadt Gießen, jetzt vorgelegt hat. Im Mittel seien frei stehende Einfamilienhäuser in den Stadtteilen Ost und Süd in den vergangenen drei Jahren „deutlich über 500.000 Euro gehandelt worden“, heißt es in dem Bericht.
Der zeigt auch auf, wie sich die Preise langfristig entwickelt haben. 2013 war in Gießen ein Einfamilienhaus noch für gut 280.000 Euro zu bekommen, im vergangenen Jahr mussten dafür im Mittel der insgesamt 31 getätigten Verkäufe über 480.000 Euro hingelegt werden. Der Preis für ein Mehrfamilienhaus verdoppelte sich in diesem Zeitraum sogar fast – von 440.000 Euro auf knapp 875.000 Euro. Auch bei den Wohn- und Geschäftshäusern steigen die Balken in der Grafik auf das Rekordniveau von fast 1,7 Millionen Euro. Vor neun Jahren lag der Durchschnittspreis noch bei gut 1,2 Millionen.
Steigende Preise, sinkende Umsätze: Marktbericht zeigt aktuelle Zahlen
Ein Abflauen des Immobilienbooms, der immer wieder nicht nur für Gießen prophezeit wird, lässt sich aus den Zahlen des behördlichen Marktberichts nicht herauslesen. Darüber kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass der Gesamtumsatz aus den Kaufverträgen, die über die Schreibtische des Gutachterausschusses gehen, im vergangenen Jahr um 16 Prozent auf knapp 264 Millionen Euro zurückging.
Das ist laut Skib nicht auf einen Preisverfall zurückzuführen, sondern darauf, dass dem Markt 2021 weniger Flächen zur Verfügung standen als 2020, als allein ein Objekt mit einer Größe von 30 Hektar den Besitzer wechselte. Der Bericht benennt Grundstücke nicht im Detail, aber bei diesem Objekt kann es sich eigentlich nur um das frühere AAFES-Grundstück im Gewerbegebiet »Alter Flughafen« handeln, wo ein riesiger Logistikpark errichtet wird.
Gießen: Grundstückpreise „gehen durch die Decke“
Auch an anderen Stellen des Berichts gibt es Ausreißer, die einen falschen Eindruck vermitteln könnten. So sank das Umsatzvolumen bei den unbebauten Grundstücken im Vorjahresvergleich um 86 Prozent auf nur noch 9,6 Millionen Euro. „Daraus kann nicht auf fallende Preise geschlossen werden, weil der Rückgang mit dem sinkenden Flächenumsatz korrespondiert“, sagt Skib.
Angesichts der geringen Zahl von nur 13 Geschäften sollten Grundstückspreise von über 800 Euro pro Quadratmeter, die vereinzelt aufgerufen würden, nicht als allgemeingültig betrachtet werden, aber der Ausschussvorsitzende spricht trotzdem von Bodenpreisen, die „durch die Decke gehen“. Unter Berücksichtigung aller wertbildenden Faktoren ergebe sich beim Bauland in 2021 eine „allgemeine Wertsteigerung von rund 18 Prozent“.
Eigentumswohnungen in Gießen: Mieten und kaufen wird ebenfalls teurer
Auch bei den Eigentumswohnungen registrierte der Gutachterausschuss weitere Preissteigerungen. Beim Erstverkauf von neuen Wohnungen lag der Gießener Mittelpreis pro Quadratmeter bei 3974 Euro (plus sieben Prozent), beim Wiederverkauf bei 3140 Euro (plus elf Prozent). Den höchsten Durchschnittspreis ermittelte der Ausschuss im Segment kleiner Neubauwohnung bis 44 Quadratmeter mit fast 4430 Euro in einer Wohnanlage.
Bei den erhobenen Nettokaltmieten wurde in den letzten Jahren eine große Spanne von 4,50 Euro bis zu 17,70 Euro pro Quadratmeter festgestellt, wobei der Höchstwert aus 2019 danach laut Skib bis heute nicht mehr erreicht wurde. Die Mietpreissteigerung von 2020 auf 2021 habe im Durchschnitt über alle Größen und Qualitäten bei etwa 4,6 Prozent gelegen. Die Preisobergrenze sieht der Gutachterausschuss in Gießen bei neuen Ein-Zimmer-Appartements, für die zwischen 14,50 und 15 Euro pro Quadratmeter verlangt würden. Aus der Datensammlung ergebe sich eine Durchschnittsmiete von 9,10 Euro „über alle Objekte“.
Baurückgang: Geringere Bautätigkeit als im Vorjahr
Die Bautätigkeit ist aufgrund schwindender Flächen rückläufig. Im Gegensatz zu 2020 (534 Wohnungen fertiggestellt) wurden 2021 nur 267 fertiggestellt und für 270 eine Baugenehmigung erteilt. Die nächsten Projekte, bei denen die Vermarktung ansteht, sind die Gebiete Westhang Living (Marburger Straße) und Monroe Quartier (Rödgener Straße). Dagegen sind für das Gebiet Philosophenhöhe laut Skib bereits etliche Baugenehmigungen erteilt worden, obwohl der Hochbau noch gar nicht begonnen hat. (Burkhard Möller)