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Die Wenigsten kennen sie: Gießener Firma hat es an die Weltspitze geschafft

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Von: Christoph Hoffmann

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Frank Tscherney (l.) und Oliver Rüspeler schauen zu, wie Mitarbeiter Mohamed Khaled an einem Drehgebersystem arbeitet. © Oliver Schepp

Die Johannes Hübner GmbH aus dem Schiffenberger Tal hat es mit maßgeschneiderten Drehgebersystemen an die Weltspitze geschafft.

Gießen - Der Hamburger Hafen ist ein internationales Drehkreuz der Warenwirtschaft. Mit ihren Greifarmen verfrachten die Kräne Container vom Kai auf die Schiffe, die dann in alle Winkel der Erde aufbrechen. Einen kleinen, aber durchaus bedeutsamen Anteil an dieser Arbeit hat die Johannes Hübner GmbH aus Gießen. »Wir sind spezialisiert auf die Heavy-Duty-Industrie. Hafenanlagen sind neben Walzwerken und dem Bergbau unser größtes Einsatzgebiet«, sagt Frank Tscherney, der zusammen mit seinem Kollegen Oliver Rüspeler die Geschäfte des Unternehmens führt. Diese drei Hauptsäulen würden alleine 70 bis 80 Prozent des Umsatzes ausmachen, der pro Jahr bei etwa 18 Millionen Euro liegt.

Wer nicht gerade aus dem elektrotechnischen Bereich kommt, wird die Produkte aus dem Hause Johannes Hübner nicht kennen. »Wir stellen schließlich keine Alltagsprodukte wie Handys oder Kaffeemaschinen her«, sagt Tscherney. Vielmehr werden in den Werkstätten besonders langlebige Drehgeber für extrem robuste Einsatzbedingung gefertigt. Dabei handelt es sich um Sensoren in Metallgehäusen, die an schweren Anlagen angebracht werden und der Drehzahlerfassung sowie der Positionsbestimmung dienen. Rund 12 000 solcher Geräte werden pro Jahr in der Siemensstraße gefertigt. »Zudem liefern die Sensoren Signale an Steuerungen«, sagt Tscherney.

Gießen: Johannes Hübner GmbH an mehreren Start-ups beteiligt

An solche Hightech-Produkte war bei der Firmengründung vor 88 Jahren noch nicht zu denken. 1934 eröffnete Johannes Hübner in Berlin eine Fabrik für elektrische Maschinen und verlieh ihr seinen Namen. 1957 folgte dann eine Niederlassung in Gießen. »Viele Unternehmen aus West-Berlin hatten damals die Sorge, wegen der Teilung Deutschlands nicht mehr in den Westen liefern zu können«, erklärt Rüspeler den Schritt. Die Wahl sei auf Gießen gefallen, da Hübner die Region zum einen von der Jagd kannte und die Stadt Gießen gleichzeitig Flächen günstig abzugeben hatte. Bereits ein Jahr später wurde die Johannes Hübner GmbH in Gießen eine eigenständige Firma. 1972 übernahm Olga Riedl-Hübner gemeinsam mit ihrem Mann die Firmenleitung, noch heute ist die Tochter des Firmengründers Inhaberin des Unternehmens. Riedl-Hübner war es auch, die 2003 die Gründung der Johannes-Hübner-Stiftung initiierte, durch die vor allem Hochschulen unterstützt werden sollen, die Forschung und Entwicklung auf naturwissenschaftlichem und technischem Gebiet betreiben. Seit einigen Jahren bietet das Unternehmen unter dem Projektnamen »ab Idee ok« zudem Tüftlern und Gründern die Möglichkeit, gemeinsam Ideen zu entwickeln. Die Johannes Hübner GmbH ist dadurch an mehreren Start-ups beteiligt.

Johannes Hübner GmbH in Gießen: 110 Mitarbeiter, 18 Millionen Umsatz

Tscherney und Rüspeler sind seit 2001 beziehungsweise 2007 im Unternehmen und seit 2013 und 2009 in der Geschäftsführung. Seither habe sich der Markt und damit auch das Unternehmen stark gewandelt. Früher seien die Produkte zu 80 Prozent innerhalb Deutschlands verkauft worden, sagt Tscherney. Durch den Niedergang der hiesigen Schwerindustrie habe sich das aber komplett gewandelt. »Heute liegt die Exportquote bei etwa 80 Prozent.« 50 Handelspartner auf der ganzen Welt würden die Produkte an die Kunden bringen, eine eigene Tochtergesellschaft in den USA versorge zudem den dortigen Markt. »Wir haben sehr von der Globalisierung profitiert«, sagt Tscherney. Gleichzeitig sei das Unternehmen auf stabile weltpolitische Verhältnisse angewiesen, fügt Rüspeler hinzu. Derzeit würden lange Wartezeiten durch Probleme in den Lieferketten die Arbeit erschweren. Doch die beiden Geschäftsführer wollen nicht klagen. Nach einer kurzen Flaute zu Beginn von Corona habe sich der Absatz nicht nur erholt, er sei auch stark gestiegen. »Gründe sind unter anderem der hohe Bedarf an Rohstoffen und Material bedingt durch die weltweiten Investitionsprogramme zur Abmilderung der negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, die teilweise Renationalisierung der Industrie und die Entwicklung zu erneuerbaren Energien«, sagt Rüspeler.

Wären Fachkräfte verfügbar, könnte das Unternehmen also mehr als die derzeit 110 angestellten Mitarbeiter beschäftigen. »Der Arbeitsmarkt ist hart umkämpft«, sagt Rüspeler. Aktuell arbeiten in der Siemensstraße Männer und Frauen in den Bereichen Elektrotechnik, Informatik, Betriebswirtschaft, Industriemechanik oder Softwaredesign.

Drehgebersysteme werden von vielen Unternehmen angeboten. Mit ihren Fokus auf maßgeschneiderte Produkte für schwere Maschinen wie die Schaufelradbagger des Tagebaus hat die Johannes Hübner GmbH jedoch eine Nische gefunden, die in dieser Art von keinem anderen Mitbewerber bedient wird. »Das macht uns einzigartig«, sagt Tscherney. »Und erfolgreich.«

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