Eritrea-Festival Gießen: „Chef-Propagandist“ in den Hessenhallen

Auch in diesem Jahr werden wieder Proteste gegen das Eritrea-Festival in den Gießener Hessenhallen erwartet - wie zuletzt 2019.
Gießen - Den Mann, der für diesen Samstag (20. August) als Stargast auf dem Eritrea-Festival in den Hessenhallen angekündigt ist, nennt der Grünen-Politiker Klaus-Dieter Grothe den „Chef-Propagandisten“ des eritreischen Regimes. Awel Said tritt in Videos martialisch in Uniform und Barett auf. Während der „Dichter“ seine Zeilen aufsagt, laufen auf dem Bildschirm Bewegtbilder von marschierenden, bewaffneten Soldaten und Militärfahrzeugen.
Regimekritiker erwarten, dass es beim Festival auch um Werbung und Rekrutierung für die militärische Beteiligung Eritreas am Tigray-Konflikt in Nordäthiopien und ums Sammeln von Geld gehen soll, sagt Grothe auf Anfrage dieser Zeitung. „Damit hat das Festival eine besondere Brisanz.“
Eritrea-Festival Gießen: Propagandaveranstaltung einer Diktatur
Seit 2011 findet in Gießen das Eritrea-Festival in den Hessenhallen statt - pandemiebedingt mit Ausnahme der Jahre 2020 und 2021. Veranstalter ist das Konsulat des Staates Eritrea in Frankfurt. Wie in den Jahren zuvor wird es auch in diesem Jahr wieder Proteste gegen das Festival geben. Am Samstag ist ab 15 Uhr ein Demonstrationszug vom Bahnhof über den Anlagenring zu den Hessenhallen geplant.
Für die Kritiker handelt es sich beim Festival um die Propagandaveranstaltung einer Diktatur. Laut Amnesty International ist Eritrea eines der am stärksten abgeschotteten und zensierten Länder der Welt. Die Regierung unterdrücke seit mehr als zwei Jahrzehnten jegliche Kritik. Auch Oppositionelle im Exil würden schikaniert, teilt die Nicht-Regierungsorganisation mit. Das Resultat: Menschen fliehen in Scharen aus dem ostafrikanischen Land.
Eritrea-Festival Gießen: „Frei jeglicher politischer, religiöser oder wirtschaftlicher Wertung“
Seit 2011 gibt es in Gießen Debatten um das als Kulturveranstaltung deklarierte Festival. Nahm im ersten Jahr noch eine Vertreterin der Stadt teil, erklärte das Stadtparlament das Festival ein Jahr später für unerwünscht. Die Messe Gießen als Vermieterin verweist darauf, eine „neutrale Geschäftsbeziehung“ mit dem Mieter zu pflegen - „wie mit jedem anderen Mieter auch“.
Das Gelände, sagt Organisationsleiter Pascale Watermann, werde „frei jeglicher politischer, religiöser oder wirtschaftlicher Wertung“ betrieben; eine Bewertung der Künstler, Redner oder politischer Parteien „ist nicht unsere Aufgabe“. Das Verbot sei nicht Aufgabe eines Geländebetreibers, sondern der genehmigenden Behörden.
Eritrea-Veranstaltung in den Hessenhallen kann verboten werden
Die Stadt verweist darauf, dass das Festival nicht genehmigungspflichtig ist, weil es als vorübergehendes Gaststättengewerbe beim Ordnungsamt angezeigt wurde. Die Behörde habe Auflagen erteilt, aber ein Totalverbot sei nur unter sehr engen rechtlichen Voraussetzungen zulässig, die beim Eritrea-Festival „noch nicht erfüllt sind“, sagt Bürgermeister Alexander Wright.
Die Veranstaltung könne nur verboten werden, wenn unter anderem im Vorfeld klar sei, dass es sehr wahrscheinlich zu strafbaren Handlungen kommen werde. Das im Raum stehende Anwerben zum Wehrdienst zugunsten einer ausländischen Macht zum Beispiel sei strafbar - aber nur, wenn Deutsche angeworben werden. Die Propagierung eines Angriffskrieges könnte Volksverhetzung und somit strafbar sein, sei aber im Vorfeld schwer nachzuweisen, betont Wright auf Anfrage.
Eine ähnliche Veranstaltung wurde in der Niederlande schon einmal verhindert
In der niederländischen Stadt Rijswijk war eine ähnliche Veranstaltung in der vergangenen Woche verhindert worden. Die Behörden verwiesen auf nicht erfüllte Sicherheitsstandards. „Das wird bei uns leider nicht möglich sein, denn der Brand- und Lärmschutz sind in den Hallen gewährleistet“, sagt Wright, der außerdem anmerkt: Die Messe Gießen GmbH habe als Vermieterin der Räumlichkeiten deutlich bessere Möglichkeiten, das Festival zu verhindern - „indem die Räumlichkeiten nicht mehr zur Verfügung gestellt werden“. (Kays Al-Khanak)
Bereits 2019 polarisierte das Eritrea-Festival in Gießen.