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Ohne Nennung von Gründen: Konsulat sagt erneutes Eritrea-Fest ab

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Von: Kays Al-Khanak

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Ob es zu einer Gegendemonstration gegen die Veranstaltung des eritreischen Konsulats in den Hessenhallen - wie hier am 20. August - kommen wird, steht noch nicht fest. © Harald Friedrich

Die wegen gewaltsamer Auseinandersetzungen abgesagte Veranstaltung des eritreischen Konsulats in den Hessenhallen soll erneut in Gießen stattfinden. Die Stadt sieht dies sehr kritisch.

Update vom Mittwoch, 31. August, 17.55 Uhr: Das Konsulat des Staates Eritrea hat das für den kommenden Samstag (3.9.2022) geplante Fest in den Hessenhallen am heutigen Nachmittag ohne Nennung von Gründen bei der Stadt abgesagt. Das Fest war als Wiederholung der von der Polizei aufgrund von gewalttätigen Auseinandersetzungen abgesagten Veranstaltung vor zwei Wochen neu angemeldet worden.

Das Gießener Ordnungsamt hatte auf die neue Anmeldung mit erhöhten Sicherheitsauflagen reagiert, die bei der Veranstaltung am Samstag hätten umgesetzt werden müssen. Diese seien vom Veranstalter auch ernst genommen und ihre Umsetzung auch weit vorangetrieben worden, teilte die Stadt mit. Bürgermeister und Ordnungsdezernent Alexander Wright zeigte sich erleichtert darüber, dass die Veranstaltung damit nicht in der direkten zeitlichen Nähe zu den Vorkommnissen von vor zwei Wochen stattfinden wird.  

In den Hessenhallen in Gießen: Samstag erneut Eritrea-Fest geplant

Erstmeldung vom Montag, 29. August, 18.18 Uhr: Genau zwei Wochen nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen am Rande einer Veranstaltung des eritreischen Konsulats in den Hessenhallen soll diese erneut in Gießen stattfinden. Wie Bürgermeister Alexander Wright gegenüber dieser Zeitung sagt, sei eine als »Nachholtermin« deklarierte Veranstaltung des Konsulats für Samstag, 3. September, vorgesehen. Darüber habe die Messe die Stadt informiert. »Das sehen wir sehr kritisch«, betont Wright. Deshalb seien die Auflagen deutlich erhöht worden.

Am Samstag, 20. August, war die als Kulturfest deklarierte Veranstaltung in den Hessenhallen von der Polizei aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Zuvor hatten etwa 100 Personen - mutmaßlich Exil-Eritreer - die Zäune überwunden und das Gelände gestürmt. Sie hatten sich am Stadtfestsamstag unabhängig von einer offiziell angekündigten und friedlichen Gegendemonstration versammelt. Bei den Auseinandersetzungen, bei denen laut Polizei Stöcke, Stangen, Steine und Messer eingesetzt wurden, wurden 33 Menschen verletzt - darunter sieben Polizisten. Erst durch den Einsatz von 300 Beamten aus ganz Hessen konnte die Lage beruhigt werden.

Umstrittenes Eritrea-Festival in Gießen: Mehrere Absagen in Nachbarländern

Für Kritiker handelt es sich bei den Veranstaltungen des Konsulats nicht um harmlose Kulturfeste, sondern um Propagandaveranstaltungen und eine gute Devisenquelle für eine Diktatur. Eritrea zählt zu den am stärksten abgeschotteten und zensierten Ländern der Welt; nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen wird die Bevölkerung unterdrückt und in ihren Freiheiten einschränkt. In der Frage der Bewertung des Regimes gibt es einen tiefen Riss in der eritreischen Diaspora: Für die einen ist Isaias Afewerki ein Held, der den Staat 1993 in die Unabhängigkeit geführt hat und seitdem mit seiner Einparteienregierung als Staatspräsident fungiert. Dies sehen vor allem die seit den 2000ern geflohenen Eritreer anders. Gerade bei ihnen hatte es für viel Ärger gesorgt, dass in einer Art Europatour, die am 20. August auch nach Gießen führte, Awel Said angekündigt wird.

Der Dichter ist auf Plakaten mit Militäruniform und Barett abgebildet und gilt als »Chefpropagandist« des Regimes, der gegen dessen Gegner agitiert. Ebenfalls angeheizt haben dürfte den Konflikt zwischen den beiden Gruppen die Kriegsbeteiligung Eritreas im äthiopischen Tigray. Die Europatour des eritreischen Regimes hatte zuletzt Dämpfer erhalten. Auftritte in Schweden, den Niederlanden oder jüngst in der Schweiz wurden von den Behörden abgesagt. Für den 3. September sollte das Eritrea-Fest nach Informationen dieser Zeitung eigentlich in Oslo in Norwegen gastieren.

Gießen: Personalisierte Tickets für erneutes Eritrea-Fest

Wie der fürs Gießener Ordnungsamt zuständige Bürgermeister Wright sagt, will die Behörde den Veranstalter verpflichten, die richtige Uhrzeit zu nennen, zu der das Fest beginnen soll - dies sei beim letzten Mal nicht geschehen. Zudem muss das eritreische Konsulat die Teilnehmerzahl an- und personalisierte Eintrittskarten an die Besucher ausgeben. Die Zäune rund um die Hessenhallen müssen mit einem Kletterschutz und die Eingänge mit Drehkreuzen versehen werden.

Eine behördliche Absage der Veranstaltung ist nach Sicht der Stadt nicht möglich, weil für einen solchen Schritt enge Grenzen gesetzt seien. Wright hatte aber bereits vor der Veranstaltung am 20. August der Messe mehr Möglichkeiten zugesprochen, die Veranstaltung zu verhindern. Die als private Vermieterin agierende GmbH verweist aber darauf, dass sie verpflichtet sei, Räume »diskriminierungsfrei« zur Verfügung zu stellen, weil Absagen aus religiösen und politischen Gründen von Gerichten schnell gekippt würden. Dies sieht die Stadt anders, da es sich bei der Veranstaltung des eritreischen Konsulats nicht um einen Parteitag handelt.

Gießen: Messe hat „vertragliche Verpflichtung, der wir mit diesem Termin nachkommen«

Die Messe teilt auf Anfrage dieser Zeitung mit: »Wir haben weiterhin eine vertragliche Verpflichtung, der wir mit diesem Termin nachkommen.« Die Ordnungsbehörden seien aktiv geworden; auch stehe die Messe im Austausch mit Behörden und Veranstalter, um die Sicherheit zu gewährleisten. Inwieweit die eritreische Opposition zu einer Gegendemonstration aufrufen wird, steht noch nicht fest. Klaus-Dieter Grothe, Grünen-Stadtverordneter und regelmäßiger Demonstrationsteilnehmer gegen Veranstaltungen des Regimes, betont: »Es handelt sich um eine bewusste Provokation des eritreischen Staates.« Er appelliert an die Behörden, die Veranstaltung wie in der Schweiz abzusagen.

Die Polizei kündigt derweil an, mit der Stadt in Kontakt treten zu wollen. Ob sich die Polizei nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen beim jüngsten »Fest« in Gießen dementsprechend vorbereiten wird? Behördensprecher Jörg Reinemer antwortet nur mit einem Wort: »Absolut.« (Kays Al-Khanak)

Nach Rücktrittsforderungen in Zusammenhang mit dem Eritrea-Festival hat sich Grünen_Stadtparlamentsmitglied Klaus-Dieter Grothe geäußert. Die Polizei haben derweil Videos von den Ausschreitungen beim umstrittenen Eritrea-Festival in Gießen erreicht.

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