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Youtube-Doku von „Vice“ bringt Polizei auf Spur von Drogendealer „Banks“

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Von: Sebastian Schmidt, Kays Al-Khanak, Alexander Gottschalk

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Ein Dorgenspührhund der Polizei liegt vor einer Cannabis Plantage.
Eine Cannabis-Plantage mit 100 Pflanzen hebt die Polizei in Gießen aus. Unterstützt wird sie dabei von Drogenspührhund Jimmy. © Polizei Mittelhessen

Die Polizei Gießen nimmt am Mittwoch (09.06.2021) zwei Männer fest, die als Drogenhändler in einer „Vice“-Dokumentation auftraten. Der Film soll geholfen haben, sie zu überführen.

+++ 16:45 Uhr: Gegen den 26-jährigen mutmaßlichen Drogendealer aus Wettenberg, den die Polizei am Mittwoch (09.06.2021) geschnappt hatte, wurde jetzt Haftbefehl erlassen. Das teilten die Ermittlungsbehörden nun in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Die Polizei hält den Mann für den Protagonisten „Banks“ aus einer „Vice“-Dokumentation über Drogenhandel, die zu großen Teilen in Gießen spielt. Der Haftbefehl gegen einen ebenfalls festgenommenen 24-Jährigen wurde außer Vollzug gesetzt. Er wurde anschließend von der Polizei entlassen.

Update vom Donnerstag, 10.06.2021, 12:40 Uhr: Polizei und Staatsanwaltschaft sind tatsächlich über die „Vice“-Dokumentation auf die Drogendealer aufmerksam geworden, die am gestrigen Mittwoch (10.06.2021) im Kreis Gießen festgenommen wurden. Das teilten die Ermittlungsbehörden nun in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Der Film, der auf Youtube verfügbar ist, zeigt einen Mann, der sich „Banks“ nennt, beim Drogenhandel. Mehrmals sind in dem Video Gebäude und Straßen aus Gießen zu sehen. Jetzt glaubt die Polizei, „Banks“ erwischt zu haben. Es soll sich um einen 26-jährigen Wettenberger handeln (siehe Erstmeldung vom 09.06.2021, 18.45 Uhr).

Aber nicht nur „Banks“ könnte die Doku zum Verhängnis geworden sein. Die Polizei geht davon aus, auch einen zweiten Protagonisten des Films geschnappt zu haben. Bei einem ebenfalls festgenommenen 24-jährigen Beschuldigten soll es sich um einen Mann handeln, der in dem „Vice“-Video Drogen abpackt. Die beiden mutmaßlichen Drogendealer werden heute Nachmittag dem Haftrichter vorgeführt. Laut Polizei besteht der dringende Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in „nicht geringer Menge“.

Drogendealer aus „Vice“-Doku mit 1,3 Kilo Marihuana erwischt

Bei einer Wohnungsdurchsuchung hatten die Beamten bei dem 26-jährigen „Banks“ 1,3 Kilogramm Marihuana, einige wenige XTC-Pillen und eine Softairpistole gefunden. Laut Staatsanwaltschaft waren die Drogen „teils verkaufsfertig verpackt“. In einer weiteren angemieteten Immobilie in Gießen setzte die Polizei auch einen Drogenspürhund ein und entdeckte eine Cannabisplantage mit 100 Pflanzen. Aus der Haft entlassen wurde die 25-jährige Frau, die die Ermittler gestern gemeinsam mit den beiden Tatverdächtigen aufgegriffen hatte. Laut Polizei gab es nach den polizeilichen Maßnahmen keinen Haftgrund mehr.

Erstmeldung vom Mittwoch, 09.06.2021, 18:45 Uhr: Gießen – Die Polizei hat am heutigen Mittwoch (09.06.2021) drei mutmaßliche Drogendealer aus dem Kreis Gießen vorläufig festgenommen. Den Angaben nach handelt es sich um zwei Männer und eine Frau im Alter zwischen 24 und 26 Jahren aus Wettenberg. Sie werden verdächtigt, „mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ (Cannabis) gehandelt zu haben. Einer der Festgenommen, ein 26-Jähriger, soll bisherigen Ermittlungen zufolge der Drogenhändler sein, der im Januar 2021 unter dem Pseudonym „Banks“ in einer Dokumentation des Magazins „Vice“ zu sehen war. Staatsanwalt Thomas Hauburger bestätigte auf Anfrage, dass es sich bei dem Mann um den Protagonisten des Berichts handele.

Drogenhandel im Kreis Gießen: Polizei findet Marihuana

Das Video sammelte auf Youtube fast 1,5 Millionen Aufrufe und sorgte auch in Gießen für einigen Wirbel, da die anonymisierte Stadt für Ortskundige klar zu erkennen war (hier unser Bericht). Inwiefern ein Zusammenhang zwischen den Festnahmen und dem Film der Journalisten besteht, ist noch unklar. Die Ermittlungsbehörden schoben weitere Auskünfte zunächst auf den morgigen Donnerstag (10.06.2021). Bei umfangreichen Durchsuchungsmaßnahmen in Gießen und Wettenberg hatten sie einer Mitteilung zufolge unter anderem mehrere hundert Gramm Marihuana gefunden.

Die Verhaftung und eine der Durchsuchungen fand nach Informationen dieser Zeitung im Technologie- und Innovationszentrum (TIG) in der Kerkrader Straße 11 statt. Zivilfahnder wurden dabei beobachtet, wie sie dort Räume und ein Auto unter die Lupe nahmen. Einer der Verhafteten soll im TIG Räumlichkeiten für ein Textil-Unternehmen angemietet haben. Ob dort auch Drogen gelagert oder zum Verkauf vorbereitet wurden, ist unklar. Gesellschafter des TIG sind unter anderem die Stadt und der Landkreis Gießen.

Das sagt die Geschäftsführung des TIG

Die Geschäftsführerin des TIG, Antje Bienert, verweist auf die Vielzahl von anderen Gründern und Kleinunternehmen, die dort Räume angemietet haben und so eine kostengünstige Chance bekommen, wirtschaftlich Fuß zu fassen. Etwa 370 seien das seit der Eröffnung des Gründerzentrums 1996 gewesen. »Neben diesem einen schwarzen Schaf haben wir aktuell über 90 Startups und Unternehmen, die sich ganz klar von solchen Machenschaften distanzieren«, betont sie.

Der Beschuldigte sei wie alle anderen Mieter des TIG geprüft worden, habe Formulare ausgefüllt und Unterlagen vorgelegt. »Aber Sie können den Menschen nicht in den Kopf schauen. «Hinzu kommt ein weiterer Umstand: Das Zentrum tritt als Vermieter der Räumlichkeiten auf und darf – wie andere Vermieter auch – nicht einfach so in die Räumlichkeiten seiner Mieter spazieren und anlasslos kontrollieren. (Aktualisiert am Donnerstag, 10.06.2021, 17..11 Uhr)

Drogendealer aus „Vice“-Doku fühlte sich in Gießen sicher

Der Drogendealer mit dem Pseudonym „Banks“ war ziemlich unkonventionell auf die Redakteure des Lifestyle-Magazins „Vice“ zugekommen. Er marschierte eines Tages in die Berliner Redaktion und begann, zu erzählen. Im Sommer 2020 wurde er schließlich von einem Kamerateam in Gießen begleitet. In eine weiße Sturmhaube gehüllt nahm er die Journalisten mit in seinen Bunker, in dem Drogen verpackt wurden, und zu einem Cannabis-Deal in ein Hochhaus an der Pater-Delp-Straße in der Weststadt. Bei einer Fahrt durch die Stadt ist eindeutig auch die Agentur für Arbeit an der Nordanlage zu erkennen.

Hier sollen Durchsuchungen der Drogenfahnder stattgefunden haben.
Hier sollen Durchsuchungen der Drogenfahnder stattgefunden haben. © Burkhard Möller

„Banks“ hatte sich in Gießen offenkundig sehr sicher gefühlt: Detailliert erzählte er dem Kamerateam über den Drogenhandel. Außerdem betonte er, die Polizei habe die Kontrolle über den Drogenhandel in der Stadt verloren. Ein ganz kleiner Fisch war der nun Festgenommene sicher nicht. Ein- bis zweimal in der Woche, so erzählte er in dem fünfzehnminütigen Beitrag, erhalte er eine große Drogenlieferung – meist von niederländischen Gruppen der Organisierten Kriminalität. Die Räumlichkeiten, die er als Bunker nutze, seien auf einen anderen Namen gemietet – von einer weiteren Person ohne Vorstrafen.

Drogenhändler „Banks“ aus „Vice-Doku“: Festnahme im Kreis Gießen statt Ausstieg

„Banks“ wirkt in dem „Vice“-Beitrag wie ein Zwischenhändler, der Großkunden beliefert. Er verkaufe bis zu 30 Kilo Cannabis im Monat, erzählte er. Der Umsatz liege bei bis zu 120 000 Euro. Dass er nach eigenen Angaben drei bis zehn Deals in einer Größenordnung von 800 Gramm am Tag mache, hält die Polizei für möglich, bestätigte Polizeisprecher Jörg Reinemer Anfang des Jahres gegenüber dieser Zeitung. „Banks“ betonte, Gießen sei als Uni-Stadt ein guter Standort für ihn als Drogenhändler. Cannabis eine der größten Einnahmequellen krimineller Strukturen. Oft komme es zu Verteilungskämpfen.

In dem Beitrag präsentierte sich „Banks“ als geläutert. Er habe genug vom Geschäft, sagte er: Denn seit einigen Jahren werde Cannabis mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt. Die Konsumenten seien ungewollt „Chemie-Junkies“, das gestreckte Gras mache körperlich abhängiger, sei gefährlicher. Bei all den Ausstiegs-Ankündigungen konnte Banks letztlich wohl doch nicht die Finger vom Drogenhandel lassen. Derweil machte die Polizei ihr Versprechen von Anfang des Jahres wahr: Man werde weiter gegen diese Form der Kriminalität mit Kontrollen vorgehen und ermitteln. Nun war man wohl erfolgreich.

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