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Personalmangel in Gießen: Gastronomie in Hessen wird internationaler

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Von: Kays Al-Khanak

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Gießen: In der Gastronomie fehlen Mitarbeiter. Dies bietet laut dem Branchenverband Dehoga ausländischen Kräften die Chance auf eine Arbeit. © Oliver Schepp

Der Personalmangel greift in der Gastronomie in Hessen um sich. In Gießen müssen bereits Öffnungszeiten angepasst werden.

Gießen – In Restaurants, Bars und Cafés fehlt es an Personal. Immer mehr Gastronomen stellen aus diesem Grund vermehrt ausländische Mitarbeiter ein. Der Bedarf an Service- und Küchenkräften ist aber weiterhin hoch – und der Mangel wirkt sich wirtschaftlich auf die Betriebe aus. Costa Evangelou hat sich für den Start seines Streetfood-Restaurants Nostos keine einfache Zeit ausgesucht. Nicht nur wegen der Preissteigerungen, sondern auch wegen der weiterhin virulenten Corona-Pandemie und deren Auswirkungen.

Viele Mitarbeiter in der Gastronomie haben sich mittlerweile umorientiert und arbeiten in anderen Bereichen, bestätigt Evangelou im Gespräch mit dieser Zeitung. Um diesem Personalmangel entgegenzuwirken, arbeiten in der Gastronomie immer mehr ausländische Mitarbeiter. Bei Evangelou sind es viele Griechen – passend zum griechischen Streetfood, das er in seinem Restaurant anbietet.

Gastronomie in Gießen: Es fehlen 12.000 Mitarbeiter

Oliver Seidel ist Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) Hessen. Er sagt, wegen des „enormen Personalmangels im Gastgewerbe“ gebe es dort auch für ausländische Arbeitskräfte „eine Perspektive“, am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Seidel beziffert den Anteil ausländischer Mitarbeiter in der Gastronomie auf 35 Prozent. Er bestätigt, dass sich während der Corona-Pandemie zahlreiche Arbeitskräfte aus dem Gastgewerbe beruflich umorientiert haben – „vor allem in Branchen, die weniger durch coronabedingte Auflagen und Schließungen gelitten haben“, sagt Seidel.

Die Rede ist von 12.000 Mitarbeitern, die aktuell fehlen. „Es ist nachvollziehbar, dass offene Stellen zum Teil durch wertvolle ausländische Arbeitskräfte besetzt werden, wenn der vorhandene nationale Markt an Arbeitskräften diese nicht mehr zu besetzen vermag.“

Küche International: In Gießen arbeiten verschiedenste Menschen Hand in Hand

Georgios Svolos betreibt das Restaurant Skafos an der Lahn. Auch bei ihm sind Menschen unterschiedlicher Nationalitäten angestellt – aber nur wenige haben einen deutschen Pass. Viele kommen aus Griechenland, andere sind Türken, Kurden oder Albaner. Der 65-Jährige ist seit 45 Jahren in der Gastronomie tätig. Er betont, dass es nicht erst seit der Pandemie immer weniger deutsche Mitarbeiter in der Gastronomie gebe.

Svolos begründet dies mit den Arbeitsbedingungen in der Branche: Es kann stressig sein, gearbeitet wird abends, an Wochenenden und an Feiertagen. „Während manche Familien an Weihnachten zum Essen gehen, arbeitet meine Familie an solchen Tagen“, betont er. „Wir schaffen es nur, weil wir ein Familienunternehmen sind.“ Damit meint er nicht nur die Arbeitskraft, sondern auch das Verständnis für den Beruf – und die Belastung, die dieser mitbringen kann. Svolos sagt, dass gerade viele ausländische Mitarbeiter bereit seien, diese Entbehrungen auf sich zu nehmen.

Gießen: Über das Arbeitsamt oder per direkt Einstieg

Der Weg der ausländischen Mitarbeiter ins Gastgewerbe ist unterschiedlich. Wie Seidel sagt, gebe es den Weg über die Arbeitsagenturen, aber es meldeten sich auch Arbeitswillige direkt in den Betrieben. Außerdem gebe es eine Reihe von Organisationen, die bei der Vermittlung von ausländischen Mitarbeitern in offene Stellen tätig seien.

Auch über Jobbörsen hätten ausländische Arbeitskräfte eine Beschäftigung im Gastgewerbe gefunden. Evangelou berichtet, dass es auch oft über Empfehlungen und persönliche Kontakte gehe: „Irgendwer hat schon einmal mit irgendwem zusammengearbeitet“, sagt er. So könnten Mitarbeiter kurzfristig gewonnen werden.

Personalmangel in Gießen: Es müssen bereits die Öffnungszeiten angepasst werden

Evangelou steht nicht alleine mit dem Problem des Personalmangels da. Manche, erzählt er, müssten aus diesem Grund zum Beispiel die Öffnungszeiten anpassen. Auch Seidel vom DEHOGA bestätigt diese Entwicklung – „obwohl die Nachfrage der Gäste gut ist“.

Die fehlenden Mitarbeiter, betont er, bremsten das Wachstum und könnten sich auf den Fortbestand des Betriebs auswirken. Bei der Frage nach Betriebsaufgaben im Gastgewerbe falle nämlich sehr häufig das Wort „Personalmangel“. Seidel: „Insofern ist die Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt von enormer Wichtigkeit für das Gastgewerbe. Der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt muss weiter entbürokratisiert und erleichtert werden.“

Gastgewerbe in Hessen: 14 Prozent aus der Ukraine

In rund 14 Prozent der Betriebe des hessischen Gastgewerbes arbeiten nach Angaben des Branchenverbandes DEHOGA Ukrainer. Laut Branchenumfragen in Hessen und einer Vielzahl an individuellen Rückmeldungen sind nach Schätzungen des Verbandes in etwa 1000 Betrieben des hessischen Gastgewerbes ukrainische Geflüchtete tätig.

Dabei handele es sich um Aushilfen durch Minijobs, aber auch Teil- und Vollzeitbeschäftigung. Zu meinen, mit den Geflüchteten ließe sich der enorme Arbeitskräftebedarf decken, wäre verfehlt. Für beide Seiten sei dies eine Win-win-Situation, teilt der DEHOGA mit. Für die ukrainischen Geflüchteten sei es die Chance, ihren Alltag selbstbestimmter zu gestalten, aktiv zu sein und soziale Kontakte zu knüpfen. Evangelou glaubt nicht, dass sich an dem Personalmangel langfristig etwas ändern wird. Und das hat einen einfachen Grund: Die Gastronomie, sagt er, „ist ein harter Beruf“. (Kays Al-Khanak)

Inflation und Energiekrise verunsichern Gastronomen im Kreis Gießen.

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