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Kellner-Legende in Gießen: „Der perfekte Gastgeber, wie man ihn aus Süditalien kennt“

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Von: Marc Schäfer

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Einer der bekanntesten Kellner der Stadt Gießen: Marco Mazzeo aus dem Gianoli. © Oliver Schepp

Hessischer Hof, Pizza Pie und nun seit zehn Jahren Gianoli. Wo Marco Mazzeo in den vergangenen 30 Jahren in der Gießener Gastronomie gearbeitet hat, hat er das Lokal mitgeprägt. 

Gießen - Rofrano ist eine kleine Gemeinde im Cilento. Im südlichsten Süden Italiens. Nur gut 30 Kilometer sind es von dort bis ans Meer, an den Marina di Pisciotta zum Beispiel. Doch mehr hatte die Provinz Salerno Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre für junge Menschen nicht zu bieten. »Ganze Generationen sind damals nach Deutschland gegangen. Meine Kumpels und ich waren 1991 die letzten, die Rofrano fast komplett verlassen haben. 10 bis 15 Jungs«, erzählt Mazzeo. Am 14. Januar 1991 kam er in Gießen an. »Kalt. Typisches deutsches Wetter. Ich werde das Datum nie vergessen.«

Mazzeo war damals 17. Den zweiten Teil seines Erwachsenwerdens erlebte er unter italienischen Männern in der Gießener Gastronomie. Man kann sich vorstellen, dass diese Tage und vor allem die Nächte mitunter eine harte Schule waren. »Früher gab es keine Widerrede. Es musste getan werden, was von einem verlangt wurde«, sagt er. Vielleicht sei er deshalb auch heute manchmal zu hart, zu direkt zu seinen Kolleginnen und Kollegen. »Etwas mehr Fingerspitzengefühl, das würde mir manchmal vielleicht ganz guttun.«

Chef-Kellner im Gianoli in Gießen: Zu Kerlen manchmal forsch

Im damaligen Hessischen Hof, dem heutigen Justus, machte Mazzeo seine Ausbildung. Später folgte er seinen Chefs in die Pizzeria Pie in der Licher Straße, damals vielleicht das renommierteste Restaurant der Stadt. Seit etwas mehr als zehn Jahren arbeitet Mazzeo nun im Gianoli in der Plockstraße. Sein aktueller Chef, Giancarlo Biscardi, sagt über seinen Chef-Kellner, er sei »der perfekte Gastgeber, wie man ihn aus Süditalien kennt«.

Mazzeo ist zu Frauen nett und zuvorkommend, zu ihren Kerlen manchmal forsch. Seine Gäste behandelt er wie seine Freunde. Das beinhaltet, dass er ihre Lieblingsgerichte und ihren Weingeschmack kennt, dass er sie verwöhnen möchte, dass er ihnen manchmal aber auch einen flotten Spruch an den Kopf wirft. Der überwiegende Teil der Gianoli-Kunden liebt ihn dafür. »Wenn ich merke, es kommt bei dem ein oder anderen nicht gut an, mache ich einen Schritt zurück«, sagt Mazzeo.

Gastronomie in Gießen: Emotionaler Kennler musste manchmal auf die Bremse treten

Dass er den Gästen jeden Wunsch erfüllen möchte, sorgt indes in der kleinen Küche im Gianoli manchmal für Probleme. Dass die Abläufe dort dadurch vielleicht durcheinander geraten könnten, ist Mazzeo aber längst nicht so wichtig wie die Zufriedenheit der Kunden. Am liebsten ist es ihm, wenn er sie mit der Speisenauswahl überraschen und glücklich machen kann. Das ist sein Antrieb. »Ich bin gerne unter Menschen und genieße die Gespräche. Es gibt auch mal einen schwarzen Tag, aber eigentlich habe ich jeden Tag Freude an meinem Job.«

Dass der direkte, offene und emotionale Kellner aber manchmal auch auf die Bremse treten muss, hat er damals in der Pizza Pie gelernt. Dort ging es strenger zu als heute in der Plockstraße. »Es war aber auch eine andere Zeit. Damals kamen oft in Gießen bekannte Familien zum Essen. Vom Opa bis zum Enkel. Alle hatten ihre Stammplätze. Ich wusste oft, was sie bestellen würden, bevor sie da waren«, erinnert sich der 47-Jährige.

Dieses Gefühl für die Gäste zu entwickeln, sei in seinem Job wichtig. »Man muss immer einen Schritt voraus sein. Ich muss nicht nur wissen, ob der Lieblingswein da ist, ich muss auch wissen, welchen ich als Ersatz anbieten kann, wenn er nicht da ist«, betont Mazzeo. Etwas verkaufen, was er selbst nicht essen würde, das könne er nicht, sagt er. Zur Freude von Biscardi wirkt er daher auch an der Entstehung neuer Gerichte mit. Aus vorhandenen Zutaten ein leckeres Essen kreieren, ist eine von vielen geschätzte Stärke von ihm.

Gianoli in Gießen: Kellner Marco Mazzeo hat bei vielen Dingen freie Hand

Überhaupt hat Mazzeo mittlerweile eine große Leidenschaft für das Kochen entwickelt. Er tut dies aber hauptsächlich für Freunde und Familie. »Im Gianoli würde ich in der Küche nicht überleben«, sagt er. Er benötigt Ruhe und Liebe. »Kochen bedeutet nicht nur, die Anleitung eines Rezepts auszuführen, es ist eine Frage der Sensibilität, des Herzens und vor allem des Respekts vor den Zutaten, die man verwenden möchte«, sagt er. Auf Mazzeos Instagram-Account »mm74_incucina« bekommt man einen Eindruck davon, was ihm das Kochen bedeutet.

Dass Mazzeo seinen Job nach mehr als 30 Jahren in der Gastronomie auch heute noch gern macht, liegt daran, dass er im Gianoli auch Freiheiten genießt. »Ich habe in vielen Dingen freie Hand. Und kann zum Beispiel selbst entscheiden, ob ich den Wein mal über den Strich hinaus eingieße.« Am Wochenende arbeitet der Kellner grundsätzlich nicht mehr, Spätschichten übernimmt er nur noch, wenn es gar nicht anders geht. «Ich bin viele Jahre gerannt. Es gab kein Ostern und kein Weihnachtsfest. Als junger Mensch merkt man das nicht, aber jetzt braucht mein Körper Pausen. Mein Familienleben hat durch den Job auch sehr gelitten.« Mazzeo hat drei Kinder von zwei Frauen, seine erste Ehe ist geschieden.

Das Wochenende gehört der Familie in Gießen

Ein weiterer Grund dafür, dass der Juventus-Fan seine Arbeit immer noch so liebt, sind die Produkte aus seinem Heimatland, die er mittlerweile an die Tische bringen kann. Als er damals angefangen hat, die Gießener zu bedienen, stand die Pizza Toskana und der italienische Salat mit Kochschinken- und Käserollen noch hoch im Kurs, den es in Italien so nie gab. Heute kennen sich die Gäste bestens aus mit Balsamico, Burrata und Wild-Brokkoli. Manche Produkte stammen wie Mazzeo aus der Provinz Salerno, dem südlichen Süden Italiens. Die Region hat wohl doch einiges zu bieten. (Marc Schäfer)

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