Ganz Gießen liegt an der Lahn

Gießen (clg). Seit dem Ende des letzten Lockdowns liest man immer wieder von Klagen vieler Theater oder Veranstalter, dass der Publikumszuspruch bei mancher Kulturveranstaltung doch sehr zu wünschen übrig ließe. Das Lahnufer jedoch war am vergangenen Sonntag, als das Partyboot »Lahnlust« die Anker lichtete, zwischen Marineclub und Bootshaus inklusive Rübsamensteg - sagen wir - in Ansätzen ausverkauft.
Zum zweiten Mal hieß es »Musik ab! Leinen los!«, wie letztes Jahr organisiert von Ellen Schaaf von der Kulturschmiede, und wieder hatte Peter »Hansdampf« Hermann eine kompetente Sessionband zusammengestellt. Seine Band Radio 2020 - als da wären Jessica Hormann (Gesang), Micha Jung (Gesang / Bass), Moritz Weissinger (Schlagzeug) und Hermann himself (Bass / Gitarre) - wurde komplettiert von den Gästen Dago Schelin (Gesang / Gitarre), John Morrell (Gesang / Gitarre) und Andreas Jamin (Posaune). Ein feste Setlist gab es nicht, nach jeweils drei Songs einigte man sich per Zuruf auf die nächsten Lieder inklusive Tonart. Und verpasste zum Beispiel die Posaune den Einsatz, wurde sie vor Publikum zum Mitmachen aufgefordert. Ein entspanntes, lockeres Musizieren. An erster Stelle stand der Spaß.
Das Programm hielt sich nicht an Genregrenzen. Auf Queen und Peter Gabriel folgte Amy Winehouse, man sprang nach Brasilien, ließ das »Girl from Ipanema« über die Lahn klingen, schickte »Mas que nada« hoch zum Rübsamensteg, der Beatles »Come together« erklang - Weissinger ganz in der Tradition von Ringo - und landete mit den Doobie Brothers und dem unverwüstlichen »Lokomotive Breath« am Bootshaus. Und vor dem Au Lac hatte sich sogar ein Volkslied - »Kommt ein Vöglein geflogen«, gekleidet in brasilianisch neuem Gewande - klammheimlich auf die Setlist gesetzt.
Entspanntes Musizieren
Der Kapitän drehte die Lahnlust in alle Winde und in Richtung der jeweils größten Zuhöreransammlung, das Schifflein wurde umschwirrt von Tretbooten, Kanuten und Aufrechtpaddlern, sogar ein paar Schwimmer begleiteten den Kahn, die Zuhörer am Ufer applaudierten, winkten oder prosteten den Musikern zu, gelegentlich kläffte ein Hund Beifall, nur ein älterer Herr auf einer Bank, in seine Lektüre vertieft, schüttelte ob der »Ruhestörung« ungnädig sein Haupt.
Der Sound auf dem Boot und was am Ufer ankam, war ausgezeichnet und, so hätte man dies vor Jahren gar nicht erwartet: Gießen lag an diesem Sonntag tatsächlich an der Lahn. Bis zum nächsten Jahr!