Für Frieden und gegen Aufrüstung

Nicht nur Ostereier und Osterhasen haben an den Feiertagen eine lange Tradition. Der Ostermarsch, eine von pazifistischen oder antimilitaristischen Motiven getragene politische Ausdrucksform der Friedensbewegung, zählt auch in Gießen dazu.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte zu der Kundgebung und Demonstration aufgerufen. Traditionell beginnt die Veranstaltung am Karsamstag am Katharinenplatz - unter Kriegsgegnern als »Hiroshima-Platz« bekannt.
Nach einer Kundgebung mit 150 Teilnehmern zog der Tross über den Seltersweg, Marktplatz, Sonnenstraße, durch das Wochenmarktgeschehen hindurch zum Regierungspräsidium. Dort steht auf dem Landgraf-Philip-Platz eines der Gießener Kriegerdenkmale. Gernot Linhart von der DKP kritisierte, dass es dazu keine Erinnerung, keine Forschung zum aktiven Widerstand gegeben habe. Und monierte: Die Gießener Köpfe seien ausschließlich Wissenschaftler, die drei Frauen-Büsten in der Plockstraße allesamt Nazi-Opfer, aber keine Widerstandskämpfer. Die Gießener Stolpersteine seien fast nur Juden gewidmet und lediglich wenigen Sinti und Roma.
Ruf nach anderer Zeitenwende
Den Reden auf dem Katharinenplatz wohnten auch Ostermarschaktivisten der ersten Jahre der Bewegung bei. Außer Redner Linhart die langjährige Aktivistin der Friedensbewegung Christa Schreyer, Michael Janitzki, Klaus Zecher und Tilmann Kissenkoetter, der nach drei Jahrzehnten wieder einmal an seiner früheren Wirkungsstätte Halt gemacht hatte. Sie tauschten Erinnerungen aus, wie sie unter vielem anderen in den 80er Jahren gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in Deutschland demonstriert hatten.
Zum Motto des Ostermarsches - »Die aktuellen Kriege beenden, den Frieden gewinnen« - sprach Stadtverordnete Martina Lennartz (DKP). Die Kriege fänden statt, da geopolitische und finanziellen Interessen dahintersteckten. »Weil die Rüstungsindustrie und viele andere Konzerne sehr gut daran verdienen.« Lennartz forderte eine andere Zeitenwende als die von Olaf Scholz angekündigte bezüglich der Rüstung. »Wir wollen eine Zeitenwende im Gesundheitswesen, in der Pflege, in der Bildung, in der Wohnraumversorgung, beim Klimawandel, für den Frieden und für Klimagerechtigkeit.« Geld sei genug da. »Es ist nur falsch verteilt.«
Lara Herrlich (Linke) geißelte die kapitalistische Gier der westlichen Welt. So seien für deren Befriedung 160 Millionen junge Menschen in Kinderarbeit eingespannt. »Für günstige Produkte wie Kleidung, Bestandteile für Smartphones oder E-Autos.«
Werner Ortmüller (Liebknecht-Friedenspreisträger) sagte, dass Rüstungsbetriebe in der westlichen Welt nicht nur Waffen und Munition produzierten, sondern dabei auch umweltschädliche Gase. Seine Aufforderung: »Zeigen wir unseren Mitbürgern, dass auf dieser kranken Erde Friedenskämpfer leben, die nicht der Gier des Kapitalismus erlegen sind!«
DGB-Kreisvorsitzender Klaus Zecher versicherte: »Wir werden uns nicht aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, Religion oder Behinderung spalten lassen.« Auch in diesem Jahr werde mit den Ostermärschen ein starkes Zeichen für Frieden, Rüstungskontrolle und Abrüstung, für die Achtung der Menschenrechte und für mehr soziale Gerechtigkeit gesetzt.
Aktive der ersten Stunde erinnern sich
Ute Bender und Moni Lux (Friedensnetzwerk) beklagten, dass die »Kriegskredite unter dem Tarnnamen Sondervermögen« das Land »bald 100 Milliarden Euro jährlich« kosteten. Sie sagten zu Deutschlands Sanktionen gegen Russland, zu jedem weiteren Kriegstag, der Rolle Deutschlands als Drehscheibe für ihre Kriegseinsätze in aller Welt: »Das alles wollen wir nicht.« Sie verlangten ein konsequentes Umdenken und Handeln der politisch Verantwortlichen: »Von deutschen Boden darf nur Frieden ausgehen.«
Die Ursprünge des Ostermarsches gehen auf Bertrand Russell und britische Atomwaffengegner zurück, die 1957 bei London erstmals für nukleare Abrüstung marschierten. 1960 gab es die ersten Ostermärsche hierzulande. 1973 gründete sich in Gießen die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG). Es folgten viele Friedensinitiativen. Tilmann Kissenkoetter, inzwischen mit Wohnsitz im Taunus, war einer der heimischen Hauptaktivisten. Er war unter anderem beteiligt an Aktionen gegen das US-Atomwaffenlager in Buseck. Unter seiner Ägide wurde die Goethestraße als erste atomwaffenfreie Straße in Gießen deklariert. Besonders erinnert er sich an die Demonstrationen gegen die Stationierung der US-Pershing-Raketen in Deutschland. Zu einer Friedensdemo gegen diese in Bonn, der damaligen Hauptstadt, habe der Gießener Ex-Politiker Lothar Schüler sich damals zusammen mit Klaus Zecher, dem einstigen Jugendvertreter bei der Bahn, dafür eingesetzt, dass 50 Sonderzüge Sternmarschteilnehmer nach Bonn befördern konnten. Michael Janitzki bestätigte, 30 Busse für diesen Aktionstag organisiert zu haben.