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Frieden

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Kürzlich betrat ein Freund erstmals unser neues Haus. Er kam als Bauhelfer. »Friede sei mit dir und mit diesem Haus!« Das waren seine Worte, als ich ihm schwungvoll die Tür öffnete. Natürlich kenne ich diese Grußformel, stellte aber erstaunt fest, dass sie noch nie jemand zu mir gesagt hatte. Ich murmele ein: »Und mit dir!« und lasse ihn eintreten.

Später bekämpfe ich im Garten die wuchernden Distelpflanzen und mache mir Gedanken. Ich frage mich, warum diese unübliche Begrüßung mich so trifft? In mir entsteht ein Bild von unserem zukünftigen Zuhause. Ein Haus, in dem sich nicht meine Familie und ich wohlfühlen, sondern jeder, der durch die Tür tritt. Ein Ort, an dem man sein darf, gute Beziehungen erlebt. Ein Ort voller Frieden. Bei dieser Vorstellung kommen mir die Tränen. Ein tiefes Bedürfnis nach Frieden meldet sich, verbunden mit der Hoffnung, dass wir gerade genauso einen Ort schaffen.

Mir fallen Formulierungen ein wie »Frieden schließen«, oder »seinen Frieden finden«. Das klingt nach Lebensende. Kann man denn nicht schon mit Mitte dreißig Frieden finden? Zufrieden sein. Das kann ich doch schon jetzt! Sofort fallen mir aber Dinge ein, mit denen ich eher unzufrieden bin. Mit mir selbst, meiner Prägung, Beziehungen und meinem Glauben. Damit kann ich nicht einfach zufrieden sein. Mit diesen Dingen muss ich tatsächlich »Frieden schließen«, mich auseinandersetzen und versöhnen. Wie würde Frieden hier aussehen? Ich merke, dass es einen größeren Frieden braucht, mehr als nur meine Entscheidung, mit etwas zufrieden zu sein. Etwas, das meine Person übersteigt. »Meinen Frieden gebe ich euch!« sagt Jesus zu seinen Nachfolgern. Und mit einem solchen Frieden kann ich mich auch schon jetzt mit ganz Vielem aussöhnen. Manches wird etwas mehr Zeit brauchen. Ich wünsche es mir und dir. Friede sei mit dir!

Tabitha Funck

Mitarbeiterin des in Gießen ansässigen Krisen-Hilfswerks GAiN

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